Breivik-Prozess:Ein Sieg für den Massenmörder

Seine inzwischen verstorbene Mutter war die einzige Person, die Breivik ohne Glaswand treffen durfte. Jetzt hat der Attentäter mit seiner Klage gegen die Isolationshaft Erfolg. Experten sind überrascht.

Von Silke Bigalke

Es ist ein Urteil, das für viele Norweger schwer zu schlucken sein wird. Ihr Staat habe gegen die Menschenrechte von Anders Behring Breivik verstoßen, entschied das Osloer Gericht, vor dem der Massenmörder im März gegen den norwegischen Staat geklagt hatte. Breivik bezog sich dabei vor allem auf Artikel 3 der Menschenrechtskonvention, das Verbot von Folter und inhumaner Bestrafung. Nun bekam er recht. "Das Verbot von unmenschlicher und degradierender Behandlung ist ein fundamentaler Wert in einer demokratischen Gesellschaft", steht in dem Urteil. "Das gilt in jedem Fall - auch bei der Behandlung von Terroristen und Mördern." Das Gericht bezog sich vor allem darauf, dass Breivik seit beinahe fünf Jahren in Einzelhaft sitzt. Breivik wollte zudem erreichen, dass seine Briefe und Telefongespräche aus dem Gefängnis nicht mehr kontrolliert werden. Er berief sich dafür auf Artikel 8 der Konvention, das Recht auf Privatleben. In diesem Punkt entschied das Gericht gegen ihn. "Ich bin überrascht von dem Urteil", sagt Kjetil Mujezinovic Larsen, Professor am Zentrum für Menschenrechte der Uni Oslo. "Ich dachte, es wäre ziemlich klar, dass keine Verletzung des Artikel 3 vorliegt." Das Gericht habe sein Urteil jedoch auf den richtigen Elementen aufgebaut, sich die Dauer und den Grad der Isolation angesehen, sowie die Begründung des Staates für Breiviks Einzelhaft. Diese Begründung fand das Gericht nun "mangelhaft". Außerdem kritisierte es die "begrenzten Klagemöglichkeiten" und "zu wenige ausgleichende Maßnahmen" in seinem Urteil. Die Behörden hätten die psychische Gesundheit des Häftlings nicht genügend berücksichtigt, als sie die Haftbedingungen festlegten, so das Gericht. Auch die zahlreichen Leibesvisitationen Breiviks habe der Staat nicht ausreichend begründet. Dieser muss nun die Kosten für den Zivilprozess tragen, umgerechnet fast 36 000 Euro.

Anders Behring Breivik sitzt seit Juli 2011 in Einzelhaft. Er tötete damals in Oslo acht Menschen mit einer Bombe und erschoss 69 Menschen in einem Jugendlager auf der Insel Utøya. Im August 2012 wurde Breivik zu 21 Jahren Haft verurteilt - Höchststrafe. Anschließend ist eine Sicherheitsverwahrung möglich. Er sitzt derzeit im Hochsicherheitstrakt von Skien, ohne Kontakt zu anderen Häftlingen. Selbst die Verhandlung fand aus Sicherheitsgründen hinter Mauern statt, in der Sporthalle des Gefängnisses.

Derzeit hat er nur Kontakt mit Wächtern und medizinischem Personal

Dort hatte Breivik über vieles geklagt, darüber etwa, dass ihm häufig Handschellen angelegt würden, über das angeblich schlechte Essen, über Kopfschmerzen durch die Isolation. Er nutzte den Prozess erneut für seine rechtsextreme Propaganda, zeigte den Hitlergruß und sprach von seiner Liebe zum Nationalsozialismus. Er machte deutlich, dass es ihm in seiner Einzelhaft nicht um Kontakte zu irgendwem geht. Er möchte sich mit Gleichgesinnten austauschen. Die Anwälte des Staates hatten deswegen argumentiert, dass die Isolation und die Briefkontrolle notwendig seien - aus Sicherheitsgründen. Breivik könnte sich mit Anhängern vernetzen, womöglich auch mit Nachahmern. Derzeit hat er nur Kontakt mit Menschen, die keinerlei Beziehung zu ihm aufbauen dürfen, etwa Wächtern und medizinischem Personal. Seine Mutter war vor ihrem Tod die einzige Besucherin, die er ohne Glaswand treffen durfte. Die Situation drohe ihn krank zu machen, so Breiviks Anwalt im Prozess. Welche Folgen das Urteil haben wird, ist offen. "Ich bin sicher, dass der Staat Einspruch dagegen einlegen wird", sagt Jurist Larsen. Sollte er auch in den nächsten Instanzen verlieren, wird er die Haftbedingungen wohl erleichtern müssen. Das Gericht schlägt etwa Kontakt mit anderen Gefangenen im Hochsicherheitstrakt vor. Dort ist Breivik jedoch häufig der einzige Häftling. Ob es geeignete Insassen gibt, die ihn treffen möchten - und die er treffen will -, gilt als fraglich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: