Süddeutsche Zeitung

Gedenken:"Der Staat muss seine Bürger besser schützen"

Fünf Jahre nach dem Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz sind sich Betroffene und Politiker einig, dass Terroropfer besser versorgt werden sollten.

Es war der Abend des 19. Dezember 2016, als ein islamistischer Terrorist mit einem Lastwagen über den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz raste. 13 Menschen starben bei dem Anschlag, ihre Namen sind in die Stufen zur Gedächtniskirche graviert. "Der Staat hat sein Versprechen auf Schutz, auf Sicherheit und Freiheit nicht einhalten können", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum fünften Jahrestag am Sonntag.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte: "Der Staat muss wehrhaft sein und seine Bürgerinnen und Bürger schützen." Scholz sprach von einem schrecklichen Vorfall, der sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben habe.

Opfer des Anschlags hatten sich vor dem Jahrestag in einem offenen Brief an die Bundesregierung unzufrieden geäußert. Sie forderten einen würdigen Umgang mit den Betroffenen und die umfassende Aufklärung der Tat. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte dies zu. "Soweit noch Fragen offen sind, werden wir Antworten suchen", erklärte die SPD-Politikerin. "Nichts wird unter den Teppich gekehrt. Das sind wir den Opfern und Hinterbliebenen schuldig." Bei neuen Erkenntnissen zur Tat müsse man weiter ermitteln, forderte auch Bundespräsident Steinmeier. "Nur so kann das Vertrauen der Menschen in ihren Staat wieder wachsen."

"Opfer zweiter Klasse"

Der scheidende Opferbeauftragte des Bundes, Edgar Franke (SPD), erklärte in der Welt am Sonntag: Wenn sich ein Bürger auf dem Weg zur Arbeit verletze, müsse ihn der Staat heute bereits "mit allen geeigneten Mitteln" rehabilitieren. Es dürfe nicht sein, dass es einen solchen Automatismus bislang nicht gebe und "Terroropfer schlechter versorgt werden", sagte Franke, mittlerweile Parlamentarischer Staatssekretär im Gesundheitsministerium.

In der neuen Koalitionsvereinbarung ist bereits von einem besseren Umgang mit Terrorbetroffenen die Rede. Unter anderem ist vorgesehen, den 11. März zum "nationalen Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt" zu erklären. Der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lobte das Vorhaben: "Es ist keine kleine Sache, einen Tag der Trauer für Terroropfer einzuführen." Die Stunden und Tage nach Terroranschlägen "gehörten zu den bedrückendsten als Minister". Er habe sich oft gefragt, warum die Gesellschaft für Terrorbetroffene nicht mehr Anteilnahme zeige - dies gelte besonders für den IS-Anschlag in Istanbul 2016, bei dem zwölf Deutsche starben: "Bei den Toten von Istanbul ist das Vergessen ganz offensichtlich. Das ist bedrückend", sagte de Maizière der Welt am Sonntag.

Betroffene verschiedener Terrorangriffe sprachen sich in der Zeitung dafür aus, neben einem Gedenktag auch einen zentralen Gedenkort für Anschläge im In- und Ausland einzurichten. "Ein Ort des Gedenkens für alle Opfer, das wäre wunderbar", sagte die Berlinerin Nora Zapf, deren Großmutter in Istanbul ums Leben gekommen war. Sie wolle sich nicht damit abfinden, sich wie ein "Opfer zweiter Klasse" zu fühlen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) betonte: "Als neue Bundesregierung werden wir nach Kräften alles dafür tun, um Opfer und Hinterbliebene von terroristischen Anschlägen bestmöglich zu unterstützen." Er unterstütze die Idee, den 11. März zum nationalen Gedenktag für Terroropfer zu erklären, so der FDP-Politiker.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5491611
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/KNA/dpa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.