"Breaking The Silence":Soldaten für Bürgerrechte

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Ein israelischer Soldat bei einer Nachoperation im Westjordanland. (Foto: dpa)

"Breaking The Silence" sammelt Übergriffe der israelischen Armee. Die politische Rechte wirft der Soldaten-Organisation deshalb Verrat vor.

Von Joachim Käppner

Glaubt man der Regierung von Benjamin Netanjahu, dann hatte Israel seit Langem keinen so gefährlichen Feind wie diese "Propagandaorganisation, die Lügen über unseren Staat und unsere Armee verbreitet".

och die Bürgerrechtsorganisation "Breaking the Silence" ("Das Schweigen brechen"), die auf Sigmar Gabriels Besuchsliste stand, stammt direkt aus den Streitkräften, dem großen Schmelztiegel und Identifikationsfaktor des Landes. Sie wird aus westlichen Staaten mitfinanziert, weshalb die politische Rechte in Jerusalem der Gruppe Verrat vorwirft.

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Dabei spricht "Breaking the Silence" nur aus, was auch für Israels Opposition selbstverständlich ist: Man kann nicht zugleich Besatzungsmacht und die moralisch überlegene Seite sein, Siedlungsbau und Militärgewalt sind ungerecht und gefährden den ethischen Anspruch des jüdischen Staates.

Seit 2004 sammelt die Organisation Zeugenaussagen von kritischen Soldaten, die in den besetzten Gebieten oder den Kriegen in Gaza und Südlibanon dienten. Ihr Hauptvorwurf: Israels Armee ignoriere oft die eigenen Einsatzregeln, etwa zum Schutz palästinensischer Zivilisten, oder weiche sie immer mehr auf.

Die Schwäche: der Quellenschutz

Fast alle der namentlich nicht genannten Autoren bekennen sich zu ihrem Land und dessen Verteidigung - nur habe, was sie im Einsatz erlebten, mit Verteidigung zu oft nichts zu tun. Die Berichte sind schockierend, wie jener des Unteroffiziers einer Aufklärungseinheit, die 2014 in Gaza eingesetzt wird.

Die Soldaten stießen demnach auf einen verwundeten alten Mann und diskutierten, ob er tot oder nur ohnmächtig sei: "Einer von der Kompanie ging raus und schoss einfach noch mal auf ihn. Es gab keinen in meiner Einheit, der nicht schockiert war." Es habe dann keine Untersuchung gegeben.

Die Stärke der Bewegung ist die Masse authentischer Zeugnisse. Um ihre Quellen zu schützen, nimmt sie eine Schwäche in Kauf: "Breaking the Silence" sichert den beteiligten Soldaten strikte Anonymität zu, was es schwierig macht, die Übergriffe zu rekonstruieren oder gar juristisch zu ahnden. Anders aber, versichern die Initiatoren um Gründer Yehuda Schaul, würden die Informationen bald ausbleiben.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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