Braune Solidarität mit NSU-Verdächtigen:"Wolle, halt durch!"

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Die NPD bemüht sich um Distanz, doch die militante Szene steht zu ihm: Im Internet bekunden Neonazis offen ihre Solidarität mit dem ehemaligen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, der als mutmaßlicher Helfer der Zwickauer Terrorgruppe in Haft sitzt. Bei virtueller Unterstützung wollen sie es nicht belassen - neue Initiativen widmen sich der rechtsextremen Gefangenenhilfe.

Kathrin Haimerl

"Solidarität ist eine Waffe!" - dieser alte linke Spruch prangt unter einem Aufruf des Freien Netzes Jena. Die rechtsextreme Kameradschaft bittet um solidarische Weihnachtsgrüße für die inhaftierten Kameraden. Es folgt eine Liste mit den Gefangenen und der Adresse der Haftanstalten, in denen sie einsitzen. Nur der Name eines momentan recht prominenten Kameraden aus Jena findet sich nicht darunter: Ralf Wohlleben, der im vergangenen November verhaftet wurde, weil er die rechtsextremistische Zwickauer Terrorzelle unterstützt haben soll.

Der Neonazi und frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben (Mitte hinten) bei seiner Verhaftung: Im Internet sprechen Neonazis dem inhaftierten Kameraden mit Durchhalteparolen Mut zu. (Foto: dpa)

Wohlleben soll dem Terrortrio über einen Kurier unter anderem eine Schusswaffe mit Munition geliefert haben. Damit habe er billigend in Kauf genommen, dass tödliche Anschläge durchgeführt werden könnten, so die Ermittler bei seiner Verhaftung. Ende der Neunziger schloss sich Wohlleben dem "Thüringer Heimatschutz" an. Zusammen mit den drei mutmaßlichen Terroristen Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos sowie den ebenfalls inhaftierten Holger G. und André K. gründete Wohlleben die Kameradschaft Jena, später "Nationaler Widerstand Jena", heute "Freies Netz Jena".

Unter anderem in Thüringen ist die Vernetzung zwischen der rechtsextremen NPD und der militanten Szene sehr eng: 2000 waren sieben von zwölf NPD-Vorstandsmitgliedern in Thüringen auch Anhänger des Heimatschutzes, wie eine erneute Auswertung der NPD-Verbotsanträge ergeben hatte. Auch an der Person Wohlleben zeigt sich die Vernetzung: Er war zeitweise Vorsitzender des NPD-Kreisverbands Jena. 2010 trat er aus "persönlichen Gründen" aus der Partei aus, erklärte Pressesprecher Frank Franz auf Anfrage von Süddeutsche.de.

Dass das "Freie Netz Jena" bei seinem Solidaritätsaufruf Wohlleben ausspart, ärgert gleich mehrere Kameraden: "Es regt mich tierisch auf, wie ignorant hier mit einem Aktivisten umgegangen wird - und Ralf ist nicht nur irgendein Aktivist, das müsstet ihr eigentlich am besten wissen!!!", schreibt etwa Nutzer "AndieGewehre" - woraufhin sich der Autor des Eintrags genötigt sieht, klarzustellen: Es gehe dem Freien Netz Jena keineswegs darum, sich von "Ralf" zu distanzieren.

"Freiheit für Ralf"

Daraufhin folgt eine etwas verquere Argumentation, warum man ihn nicht in die Liste aufgenommen habe: Man gehe davon aus, dass er "in der momentanen Situation sicher nicht nur solidarische Post erhalten" werde, nachdem er "derzeit durch den Dreck in den Medien" gezogen werde. Ein weiterer Kommentar endet mit den Worten: "Freiheit für Ralf, Freiheit für alle politischen Gefangenen!"

Es ist nicht die einzige Solidaritätsbekundung für Ralf Wohlleben, die derzeit auf einschlägigen, rechtsextremistischen Webseiten und Foren kursiert. Im Internet erklären sich führende Aktivisten des Freien Netzes offen solidarisch mit Wohlleben, schreibt die Journalistin und Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke in einem Beitrag im Blick nach Rechts. Wohlleben gilt als fest verankert in der militanten Szene, sagte Röpke zu Süddeutsche.de.

Zwar bemüht sich die rechtsextreme NPD seit Wochen um Distanz zu Wohlleben. Gar nicht gut kommt der Kurs der Parteiführung aber in der militanten Szene an: So twitterte etwa Wohllebens politischer Weggefährte Thomas G.: "Der NPD-Distanzierungswahn ist ein typisches Zeichen für das Versagen im aktuellen 'Stresstest'!"

Auch dass der ebenfalls inhaftierte Holger G. den Ermittlern gestanden haben soll, eine von Wohlleben besorgte Pistole an das untergetauchte Neonazi-Trio übergeben zu haben, erzürnt die braune Internetgemeinde: "Holger G. ist also umgefallen und Kronzeuge für ein Scheiss System geworden... (...) Dass der Typ in U-Haft keinen Märtyrer machen will, war mir eigentlich klar", empört sich User Westmark in einem neonazistischen Forum. Bei "Westmark" handelt es sich nach Angaben der Journalistin Röpke um den Kopf der deutschen Division des internationalen Skinhead-Netzwerks "Hammerskin Nations" in Ludwigshafen.

Auf Fotos posiert dieser im Hammerskin-Shirt gemeinsam mit eben jenem Thomas G., der auf Twitter in regelmäßigen Abständen Solidaritätsbekundungen für seinen inhaftierten Kameraden "Wolle" Wohlleben abgibt. Kurz nach dessen Verhaftung twitterte G.: "KEIN UNGLÜCK EWIG! Wolle halte durch! WIR stehen ZUSAMMEN ...!!! S-O-L-I-D-A-R-I-T-Ä-T!!!" In einem anderen Tweet forderte er: "'Stille Hilfe' organisieren!"

Neue Strukturen der "nationalen Gefangenenhilfe"

Rechtsextremismus-Expertin Röpke zufolge dürfte dies als Anspielung auf den gleichnamigen SS-Veteranenverein zu verstehen sein, der NS-Kriegsverbrechern Anwälte besorgte und Geld für deren Angehörigen organisierte. Dieser diente wiederum als Vorbild für die inzwischen verbotene "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige" (HNG). Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte gegen die Organisation vergangenen September ein Verbot ausgesprochen mit der Begründung, dass es "nicht länger hinnehmbar sei, dass inhaftierte Rechtsextremisten durch die HNG in ihrer aggressiven Haltung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bestärkt werden."

Doch inzwischen scheint sich die Szene umzuorganisieren. Der JVA-Report, der lange Zeit relativ bedeutungslos neben der HNG existierte, präsentiert sich im Netz optisch verblüffend ähnlich zu der verbotenen Organisation. Auf der Startseite prangt die Negativ-Version des HNG-Logos - zwei Hände, die Gitterstäbe umklammern - in Grau auf Weißem Grund. Sehr viel professioneller aber wirkt eine Seite, die sich derzeit noch im Aufbau befindet: Es handelt sich um die Initiative "White Prisoner and Supporter Day", die nach Angaben eines Nutzers in einem neonazistischen Forum während des HNG-Verbotsverfahrens entstand. Die Macher haben ehrgeizige Ziele: Die Seite soll Hilfe für inhaftierte Gesinnungsgenossen weltweit bieten.

Aus ihrer Bewunderung für die HNG machen die Betreiber der Seite keinen Hehl: Das Datum für den "White Prisoner and Supporter Day", der 21. September, ist bewusst gewählt. Es ist das Gründungsdatum der HNG.

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