Süddeutsche Zeitung

Braunau:Das sind die Pläne für Hitlers Geburtshaus

  • Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka hat den Abriss des Geburtshauses von Adolf Hitler in Braunau angekündigt.
  • Stunden später rudert er zurück und nennt eine "architektonische Umgestaltung" als Plan.
  • Sobotkas Sprecher stellt klar: An der Adresse Salzburger Vorstadt 15 soll künftig ein Haus stehen, das nicht mehr wiederzuerkennen sei.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Der Abriss ist kein Abriss - so lässt sich die jüngste Wende in der Debatte über das Geburtshaus von Adolf Hitler in Braunau am Inn am besten zusammenfassen. Am Montag noch hatten österreichische Zeitungen unter Verweis auf ein Interview der Presse mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) gemeldet, dieser habe eine Zerstörung des Hauses angekündigt, in dem Adolf Hitler 1889 geboren worden ist. Die Aufregung war groß: "Das Hitler-Haus wird abgerissen. Die Kellerplatte kann bleiben, aber es wird ein neues Gebäude errichtet. Das Haus wird dann entweder einer karitativen oder einer behördlichen Nutzung durch die Gemeinde zugeführt." So zitierte das Blatt den Minister.

Der aber ruderte Stunden später zurück und teilte in einer Presseerklärung mit, er teile die Meinung einer eigens dafür einberufenen Expertenkommission, die eine "tief greifende architektonische Umgestaltung" für sinnvoll erachte, an deren Ende der "Wiedererkennungswert" des Hauses quasi gleich null wäre. Das Haus unter der Adresse Salzburger Vorstadt 15 solle, hatte die Empfehlung gelautet, so umgestaltet werden, dass es für Alt- und Neonazis keinen Symbolwert mehr habe.

Sobotkas Ankündigung könne man also, wie sein Sprecher Karl-Heinz Grundböck am Dienstag bestätigte, durchaus als forsche Beschreibung eines Soll-Zustandes bezeichnen, oder, wie der Standard nicht ohne Ironie schreibt: "Innenminister stiftet Verwirrung". Grundböck teilt mit, was Sobotka gemeint habe: Es werde demnächst an dieser Adresse ein Haus stehen, das nicht mehr wiederzuerkennen sei "im Vergleich zu dem Haus, das dort jetzt steht. Aber keineswegs eine leere Fläche". Allerdings hatte Sobotka noch im Sommer einen Abriss als beste Lösung bezeichnet.

Zuletzt hatte eine Behindertenwerkstatt das Anwesen gemietet

Anlass für den Vorstoß und die Erläuterung war gewesen, dass sich der Innenausschuss des Parlaments am Dienstagnachmittag mit den Plänen für eine Enteignung des Hauses befassen wollte. Diese war beschlossen worden, nachdem die langjährige Eignerin, eine alte Dame aus Braunau, ihrem Mieter, dem Bundesinnenministerium, über Jahre eine Renovierung des Hauses untersagt hatte, die für eine sinnvolle Nutzung - welcher Art auch immer - nötig gewesen wäre.

Zuletzt hatte eine Behindertenwerkstatt das schmutzig-gelbe Anwesen in der Braunauer Innenstadt gemietet, war aber ausgezogen. Seither steht das Gebäude leer und ist Anziehungspunkt für Hitler-Touristen, die sich die Nase platt drücken an den Fenstern im Erdgeschoss - aber den Gedenkstein vor dem Haus ("Für Frieden, Freiheit und Demokratie. Nie wieder Faschismus. Millionen Tote mahnen") geflissentlich übersehen. Die Anbringung einer Gedenktafel am Haus selbst hatte die Besitzerin untersagt.

Die Irritation über die vorschnelle Einlassung des Ministers rührt bei Braunauer Politikern wie Mitgliedern der Expertenkommission daher, dass die Diskussion über eine Nutzung des Hauses viel zu lange zu keinem Ergebnis geführt hatte; Vorschläge reichten von profanen Mietern wie Supermarkt oder Drogeriekette über Kindergarten oder Altenheim bis hin zur Umwidmung in eine Gedenkstätte. Der Innsbrucker Politikwissenschaftler Andreas Maislinger etwa propagiert seit vielen Jahren seine Idee einer Jugendbegegnungsstätte, ein "Haus der Verantwortung", denn Braunau gelte vielen Menschen als "Geburtsort des Bösen".

Die Besitzerin des Hauses sträubte sich, bis das Enteignungsgesetz kam

Eine Einigung war nie erzielt worden - auch deshalb nicht, weil die Besitzerin nicht mitspielte. Nun, da ein Enteignungsgesetz beschlossene Sache ist, sollte der Debatte ein Ende gemacht werden. Die 13-köpfige Kommission, der prominente Historiker, Juristen und Beamte angehörten und die ihren Bericht am 11. Oktober im Innenministerium überreicht hatte, spricht sich für eine "Fassadenveränderung zur Dekonstruktion der historischen Wiedererkennung", nicht aber für einen Abriss und auch nicht für eine museale Nutzung oder eine Begegnungsstätte aus.

Zuletzt hatte es also so ausgesehen, als sei alles klar zwischen Kommission, Innenminister und Kommune: Enteignung, Entschädigung, Rückbau bis zur Unkenntlichkeit, dann Einzug einer sozialen Einrichtung oder Behörde. Und kein Museum. Wenn da nicht das Wort Abriss gewesen wäre, das die Debatte darüber aufflammen ließ, ob sich Österreich seiner NS-Geschichte stellt oder diese bewusst zerstört und negiert.

Sobotka bestreitet dies: "Wir haben eine funktionierende Gedenkkultur beispielsweise im KZ Mauthausen, und werden sie auch im Haus der Geschichte in St. Pölten und in Wien haben. Auch die wissenschaftliche Aufarbeitung der NS-Zeit wird weiter gefördert werden." Der Minister bezog sich dabei unter anderem auf ein Haus der Geschichte, das derzeit - ebenfalls nach epischem Vorlauf - in Wien eingerichtet wird. In Sachen Konzentrationslager Mauthausen gab es im Sommer auch Neuigkeiten: Es soll in Zukunft als Bundesanstalt geführt und in einen "multidimensionalen Ort der Geschichtsvermittlung mit professionalisiertem Museumsbetrieb" verwandelt werden.

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SZ vom 19.10.2016/ees
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