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Brasilien:Warum Coca-Cola ein Stück Regenwald "adoptiert"

Heineken ist schon dabei, Carrefour ebenfalls, und jetzt sichert auch der US-Getränke-Riese einem Park in Brasilien für ein Jahr das Überleben. Das hilft der Natur, dem eigenen Image - und Jair Bolsonaro.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Tief im Herzen des Amazonas-Regenwalds liegt der Javari-Buriti-Park. 13 000 Hektar dichter Wald mit majestätischen Buriti-Palmen, die ihre Kronen in den Himmel recken. Ein Naturjuwel, und die gute Nachricht ist darum wohl, dass Javari-Buriti noch eine Zeit lang erhalten bleibt. Mindestens ein Jahr. Der Preis dafür allerdings ist hoch, glauben Umweltschützer, und dabei meinen sie nicht die 658 850 Brasilianischen Real, die dafür fällig waren, umgerechnet kaum mehr als 100 000 Euro. Das Problem ist nicht das Geld, sondern von wem es kommt. Keiner Behörde, nicht einmal einer Umweltorganisation, stattdessen: Coca-Cola.

Der Brausehersteller ist der neueste Teilnehmer eines umstrittenen Programms der brasilianischen Regierung mit dem Titel "Adote um Parque": Adoptiere einen Park. Firmen und Privatpersonen können eine Patenschaft übernehmen für einen von 132 Parks im brasilianischen Amazonas. Pro Hektar werden hierfür 50 Real oder 10 Euro fällig. Eine halbe Milliarde Euro will man so zusammenbringen, hofft die Regierung. Ein "Meilenstein", sagte Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro im Februar. Umweltorganisationen dagegen finden andere Worte: Mogelpackung, Täuschung, billiger Werbegag.

Tatsächlich ist die brasilianische Regierung bisher nicht durch ihre Liebe zur Natur aufgefallen. Die Abholzung ist im Amazonasgebiet zuletzt so angestiegen wie seit zwölf Jahren nicht mehr, dennoch wurde Schutzbehörden das Budget und Personal gekürzt. Bolsonaros Umweltminister, ein Anwalt und Betriebswirtschaftler, warb derweil dafür, die Pandemie zu nutzen, um unbemerkt Schutzgesetze zu lockern.

Umweltorganisationen beklagen "Privatisierung" der Amazonasregion

Gleich nach dem Start des Adoptionsprogramms sprachen mehrere Dutzend Umweltorganisationen in einem Brandbrief von einer "Privatisierung" der Amazonasregion. Auch das Argument, Brasilien habe kein Geld für den Umweltschutz, sei falsch, sagen Kritiker. So hätte es bis vor Kurzem noch den Amazonien-Fonds gegeben, mit Norwegen als Hauptgeldgeber und der Beteiligung von Frankreich und Deutschland. Nach Differenzen über den Waldschutz mit der Regierung Bolsonaro wurde der Fonds auf Eis gelegt. Bis heute, sagen Umweltschützer, würden mehrere Milliarden Real auf Konten schlummern, unberührt, aber Brasiliens Präsident zuckt nur mit den Schultern: Das Geld habe man nicht nötig.

Statt mit anderen Nationen zusammenzuarbeiten, die auch noch Ansprüche stellen, wendet man sich lieber Banken und Unternehmen zu. Dort ist durchaus Interesse vorhanden. Vor Coca-Cola hat auch schon Heineken einen Park adoptiert, dazu eine Immobilienfirma, ein Investmentportal und die französische Supermarktkette Carrefour. Immer wieder stand die zuletzt in der Kritik, wegen Fleisch von illegal gerodeten Urwaldflächen, dazu hatten Ende letzten Jahres Wachmänner einer brasilianischen Filiale einen Mann mit dunkler Hautfarbe totgeprügelt.

Carrefour kann also positive PR brauchen, ebenso wie die brasilianische Regierung. Ein paar Tausend Dollar sind dafür ein geringer Preis, und langfristige Verpflichtungen gehen die Firmen bei dem Adoptionsprogramm ohnehin nicht ein: Nach einem Jahr laufen die Zahlungen automatisch aus.

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