Brasilien:Rücktritt des Vertrauten

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Schon wieder verliert Präsident Bolsonaro ein wichtiges Kabinettsmitglied: Justizminister Moro ist beliebt, doch im Streit um die Bundespolizei tritt er nun ab.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Brasiliens Justizminister Sérgio Moro hat am Freitag überraschend seinen Rücktritt erklärt. Jair Bolsonaro verliert damit ein weiteres prominentes Mitglied seines Kabinetts. Bereits vergangene Woche hatte der brasilianische Präsident Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta entlassen. Inmitten der Ausbreitung des Coronavirus in Brasilien rutscht das südamerikanische Land damit in eine tiefe politische Krise.

Moro galt als einer der Stars in der Regierung Bolsonaros. Vor seinem Amt als Justizminister war Moro als Richter landesweit populär geworden. In der sogenannten Operation Lava Jato legte er ein Korruptionsnetzwerk offen, das bis in die höchsten Kreise der brasilianischen Politik und Wirtschaft reichte.

Moro galt als unbestechlicher Richter, der Schluss macht mit einer in der Gesellschaft tief verwurzelten Schmiergeldkultur. In der Bevölkerung machte ihn das extrem beliebt; hunderte teils hochrangige Geschäftsleute und Politiker wurden angeklagt, unter ihnen Luiz Inácio Lula da Silva. Brasiliens linker Ex-Präsident wurde im folgenden Prozess von Moro wegen Korruption verurteilt. Seit 2018 sitzt Lula deshalb eine langjährige Haftstrafe ab, die auch seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen im gleichen Jahr verhinderte. Umfragen hatten ihm dort zuvor einen Sieg vorausgesagt, dann aber gewann der rechtsextreme Bolsonaro.

Kaum im Amt, machte Brasiliens neuer Präsident Moro zu seinem Justizminister. Schon damals löste die Ernennung Empörung aus. Später wurden dazu Hinweise öffentlich, die eine enge Absprache zwischen Moro und der Staatsanwaltschaft belegen sollen, um eine Verurteilung Lulas zu erreichen.

Der Beliebtheit des Justizministers vor allem in konservativen Kreisen schadete das nicht. Immer wieder aber gab es Streit zwischen Bolsonaro und Moro. Dass dieser nun eskaliert ist, liegt an einer Personalie: Moros Rücktritt war die Entlassung des obersten brasilianischen Bundespolizisten durch den Präsidenten vorausgegangen. Die Bundespolizei hatte immer wieder Ermittlungen gegen das engere Umfeld des Präsidenten angestrengt, unter anderem untersuchte sie Berichten zufolge die Verbindungen zwischen Bolsonaros Söhnen und kriminellen Banden in Rio de Janeiro.

Dem Präsidenten könnten diese Untersuchungen lästig geworden sein, glauben Beobachter, darum habe er einen Wechsel an der Spitze der Bundespolizei gewollt. Moro aber hatte sich widersetzt. Als Bolsonaro am Freitagmorgen eine Entlassung des Leiters der Bundespolizei anordnete, reichte Moro seinen Rücktritt ein. Er könne einen solchen politischen Eingriff in die Angelegenheiten der Strafermittler nicht mittragen, erklärte er.

Beobachter werten den Weggang Moros als weiteres Anzeichen für einen Zerfall der Regierung von Bolsonaro. Immer öfter kommt es zum offenen Streit zwischen gemäßigten Kräften im Kabinett und dem radikaleren Flügel der Regierung, zu dem auch Bolsonaro selber gehört. Um seine Macht zu erhalten, setzt der Präsident immer stärker auf das Militär und Walter Souza Braga Netto, einen General und Stabschef der Regierung.

Moro selber, so glauben Beobachter, werde auch nach seinem Weggang an seiner politischen Karriere arbeiten. Bei den Präsidentschaftswahlen 2022, so die Vermutung, könnte er als aussichtsreicher Kandidat der gemäßigten Rechten antreten.

© SZ vom 25.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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