Süddeutsche Zeitung

Senat:Brasiliens Präsidentin Rousseff ihres Amtes enthoben

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Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff verliert ihren Posten: Nach monatelangen Machtkämpfen hat der Senat des Landes mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit beschlossen, sie ihres Amtes zu entheben. Insgesamt stimmten 61 Senatoren dafür und 20 dagegen.

Wie in einem Gerichtsprozess hatte der Senat seit Tagen die Vorwürfe gegen die Präsidentin erörtert. Noch in der Nacht hatten die 81 Senatoren über die Amtsenthebung debattiert, Anklage und Verteidigung ihre Schlussplädoyers gehalten. Anklagevertreterin Janaina Paschoal warf Rousseff Betrug vor. "Wir haben es nicht mit einem kleinen Buchführungsproblem zu tun", sagte sie. "Der Betrug ist dokumentiert." Dann brach Paschoal in Tränen aus und bat Rousseff um Vergebung dafür, dass sie ihr Leid zugefügt habe. Verteidiger José Eduardo Cardozo nannte den tränenreichen Auftritt der Anklägerin "beleidigend".

Rousseff wird vorgeworfen, mithilfe von Finanztricks Löcher im Staatshaushalt verschleiert und damit der Wirtschaft des Landes geschadet zu haben. Sie hat das immer wieder zurückgewiesen, zuletzt in einer kämpferischen Rede am Montag. Rousseff erklärte, sie habe keine Gesetze gebrochen und ähnliche Buchhaltungsmethoden angewendet wie ihre Vorgänger.

Die 68-Jährige war bereits im Mai zur Prüfung der Vorwürfe suspendiert worden. Ihr Stellvertreter Michel Temer von der Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) übernahm das Amt interimsweise. Durch den Bruch der Koalition mit Rousseffs Arbeiterpartei hatte Vizepräsident Temer zuvor die notwendigen Mehrheiten für das Verfahren gegen die Staatschefin organisieren können.

Rousseff spricht von einem "Putsch"

Rousseff sprach in ihrer Verteidigungsrede von einem "Putsch" und bezeichnete den 75-jährigen Temer als Verräter. Rousseff unterstellte den Senatoren und ihrem Nachfolger Temer, dass sie nicht mit einer Frau an der Staatsspitze abfinden könnten. Sie erinnerte an ihre Zeit im Folterkeller während der Militärdiktatur. "Ich hatte Todesangst", sagte die frühere Guerillakämpferin. Sie habe immer für eine freie und gerechte Gesellschaft gekämpft - und drohe nun durch eine illegitime Regierung abgelöst zu werden.

Auch international war das Verfahren gegen die Präsidentin umstritten. Von vielen wird es als politisch motiviert bewertet. Rousseffs wahrscheinlicher Nachfolger Temer will mit umfassenden Reformen, Privatisierungen und Kürzungen im Staatsapparat das Land aus einer der tiefsten Rezessionen seiner Geschichte führen. Gerade einkommensschwache Bürger fürchten drastische Einschnitte bei den Sozialprogrammen - deren Finanzierung sich jahrelang auch aus den hohen Erdöleinnahmen speiste. Allein 2015 war die Wirtschaftsleistung um 3,8 Prozent eingebrochen, Brasilien war zuletzt nur noch die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt.

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