Brasiliens Justizminister Sérgio Moro hat am Freitag überraschend seinen Rücktritt erklärt. Jair Bolsonaro verliert damit ein weiteres prominentes Mitglied seines Kabinetts. Bereits vergangene Woche hatte der brasilianische Präsident Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta entlassen. Inmitten der fortschreitenden Ausbreitung des Coronavirus in Brasilien rutscht das südamerikanische Land zunehmend auch immer tiefer in eine politische Krise.
Sérgio Moro galt als einer der Stars in der Regierung Bolsonaros. Vor seinem Amt als Justizminister hatte es Moro als Richter zu landesweiter Popularität gebracht. In der sogenannten Operation Lava Jato legte er ein riesiges Korruptionsnetzwerk offen, das bis in die höchsten Kreise der brasilianischen Politik und Wirtschaft reichte. Moro galt als unbestechlicher Richter, der endlich Schluss macht mit einer in der brasilianischen Gesellschaft tief verwurzelten Schmiergeldkultur. In der Bevölkerung machte ihn das extrem beliebt, hunderte teils hochrangige Geschäftsleute und Politiker wurden angeklagt, unter ihnen auch Luiz Inácio Lula da Silva.
Brasiliens linker Ex-Präsident wurde im folgenden Prozess von Moro wegen Korruption verurteilt. 2018 trat der inzwischen wieder entlassene Lula darum eine Haftstrafe an, die auch seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen im gleichen Jahr verhinderte. Umfragen hatten ihm dort zuvor einen Sieg vorausgesagt, nun aber gewann der rechtsextreme Jair Bolsonaro. Kaum im Amt, machte Brasiliens neuer Präsident dann Sérgio Moro umgehend zu seinem Justizminister. Schon damals löste die Ernennung einen Aufschrei der Empörung aus. Später wurden dazu Hinweise öffentlich, die eine enge Absprache zwischen Moro und der Staatsanwaltschaft belegen sollen, um eine Verurteilung Lulas zu erreichen.
Kandidiert Moro 2022 als Präsident?
Der Beliebtheit des Justizministers vor allem in konservativen Kreisen schadete das nicht. Immer wieder aber kam es zu Streit zwischen Bolsonaro und Moro. Dass dieser nun vollends eskaliert ist, liegt an einer Personalie: Moros Rücktritt war die Entlassung des obersten brasilianischen Bundespolizisten durch den Präsidenten vorausgegangen. Dieser hatte immer wieder Ermittlungen gegen das engere persönliche Umfeld des Präsidenten angestrengt, unter anderem untersuchte er Berichten zufolge auch die Verbindungen zwischen Bolsonaros Söhnen und kriminellen Banden in Rio de Janeiro.
Dem Präsidenten könnten diese Untersuchungen lästig geworden sein, glauben Beobachter, darum habe er einen Wechsel an der Spitze der Bundespolizei gewollt. Moro aber hatte sich diesem stets widersetzt. Schon am Donnerstag hatte er gedroht, zurückzutreten, und als Bolsonaro am Freitagmorgen eine Entlassung des Leiters der Bundespolizei anordnete, reichte auch Moro seinen Rücktritt ein. Er könne einen solchen politischen Eingriff in die Angelegenheiten der Strafermittler nicht mittragen, erklärte der ehemalige Justizminister bei einer Pressekonferenz.
Bolsonaro wies am Freitagabend bei einer Rede den Vorwurf zurück, er habe sich in Justizangelegenheiten einmischen wollen. Nach seiner Version hatte Moro dem Personalwechsel an der Spitze des Bundespolizei zugestimmt, aber einen Termin im November angemahnt. "Es ist demoralisierend für einen Präsidenten, das zu hören", sagte Bolsonaro. "Als Präsident muss ich niemanden um Erlaubnis fragen, um den Chef der Bundespolizei auszutauschen."
Beobachter werten den Weggang Moros als weiteres Anzeichen für einen fortschreitenden Zerfall der Regierung von Bolsonaro. Immer öfter kommt es zum offenen Streit zwischen gemäßigten Kräften im Kabinett und dem radikaleren Flügel der Regierung, zu dem auch Bolsonaro selbst gehört. Um seine Macht zu erhalten, setzt der Präsident immer stärker auf das Militär und Walter Souza Braga Netto, einen General und Stabschef der Regierung, der eine immer größere Rolle in der Öffentlichkeit einnimmt.
Moro selbst, so glauben Beobachter, werde auch nach seinem Weggang an seiner politischen Karriere arbeiten. Bei den Präsidentschaftswahlen 2022, so die Vermutung, könnte er als aussichtsreicher Kandidat der gemäßigten Rechten antreten.