Brasilien:Erst mal in den Urlaub

Justizminister Sergio Moro gerät stark unter Druck. Jetzt nimmt er eine unbezahlte Auszeit - offiziell, um sich "besonderen Angelegenheiten" zu widmen.

Von Benedikt Peters

Irgendwann in den vergangenen Tagen muss Sergio Moro entschieden haben, dass er jetzt einfach Urlaub braucht. Doch der brasilianische Justizminister stieß auf ein Problem: Er ist erst seit Januar im Amt und damit nach brasilianischem Recht eigentlich noch nicht lang genug, um frei zu machen. Also nimmt Moro nun unbezahlten Urlaub vom 15. bis zum 19. Juli, offiziell, um sich "besonderen Angelegenheiten" zu widmen. Der tatsächliche Grund ist, dass der ehemalige Shootingstar der Regierung um den Rechtsextremen Jair Bolsonaro in großen Schwierigkeiten steckt.

Der 46-jährige Moro ist die Hauptfigur in einem Justizskandal, der Brasilien seit 9. Juni erschüttert. Die Nachrichtenseite The Intercept veröffentlicht seitdem immer wieder brisante Nachrichten, die den Justizminister schwer belasten und Bolsonaros Regierung enormen Schaden zufügen könnten.

Es geht um illegale Absprachen, die Moro vor seiner Zeit als Justizminister getroffen haben soll. In den vergangenen Jahren hatte er sich als gnadenloser Richter im Zuge der Operation Lava Jato einen Namen gemacht, die einen gigantischen Korruptionsskandal aufarbeitete. Der Höhepunkt: 2018 brachte Moro den Ex-Präsidenten Lula da Silva hinter Gitter, und zwar zu einem Zeitpunkt, als dieser sich anschickte, die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Der damalige Richter Moro sah es als erwiesen an, dass ein Konzern Lula eine Wohnung in der Nähe eines Strandes geschenkt hatte, um ihn zu bestechen. Das Urteil beruhte jedoch nur auf Indizien. Lula, der inzwischen im Gefängnis sitzt, hat stets seine Unschuld beteuert.

Moro und der Präsident werden von der Menge im Stadion ausgebuht

The Intercept enthüllte dann Anfang Juni, dass sich Moro mehrmals mit dem leitenden Staatsanwalt Deltan Dallagnol abgesprochen und ihm Ratschläge für die Ermittlungen erteilt hatte. Nach der Präsidentschaftswahl, die Bolsonaro wohl erst durch die Verurteilung Lulas gewinnen konnte, wurde Moro zum Justizminister befördert. Die Auszüge aus den Chats bezeichnet Moro als aus dem Zusammenhang gerissen. In einer Anhörung im Senat sagte er zudem, er habe sich nichts vorzuwerfen. Viele Brasilianer sehen das indes anders. Nach einer Umfrage des Instituts Datafolha finden 58 Prozent der Befragten, Moro habe sich "unangemessen" verhalten. Als Bolsonaro gemeinsam mit dem Justizminister am Wochenende das Finale der Copa América im legendären Maracanã-Stadion in Rio besuchten, wurden sie ausgebuht. Allerdings finden laut Datafolha auch 55 Prozent der befragten Brasilianer, Moro Minister solle bleiben. Ob er das tut, ist allerdings unsicher. Allein schon, weil The Intercept immer neue Chats enthüllt und es in den Medien kaum ein anderes Thema gibt, auch wenn der inhaftierte Ex-Präsident Lula davon bisher nicht profitieren konnte. Ein Antrag seiner Anwälte auf sofortige Freilassung scheiterte kürzlich. "Ich klammere mich nicht an mein Amt", hat Moro vor ein paar Tagen gesagt. Nun wartet ganz Brasilien gespannt darauf, was er macht, wenn er zurück aus dem Urlaub kommt.

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