Brasilien:Wer hat Angst vor Elon Musk?

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Kämpft gegen Falschnachrichten: Alexandre de Moraes, Richter am Obersten Gerichtshof Brasiliens. (Foto: Ton Molina/IMAGO/Fotoarena)

Der brasilianische Richter Alexandre de Moraes jedenfalls nicht. Er ließ den Kurznachrichtendienst X in seinem Land sperren. Doch der Streit ist noch lange nicht vorbei.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Wäre dies ein Boxkampf, könnte man sagen, dass gerade die nächste Runde begonnen hat: Am brasilianischen Obersten Gerichtshof mussten am Montag fünf Richter entscheiden, ob das soziale Netzwerk X – früher Twitter – im Land wieder entsperrt wird. Vergangene Woche hatte einer ihrer Kollegen den Dienst blockieren lassen. Dieser war zuvor wiederholt Anweisungen der brasilianischen Justiz nicht nachgekommen. Seit dem Wochenende ist X nur noch über Umwege in Brasilien erreichbar – und diese Blockade bleibt bestehen. Wie das Nachrichtenportal G1 berichtete, schloss sich die erste Kammer des Gerichtshofes mehrheitlich der Entscheidung von Bundesrichter Alexandre de Moraes an.

Elon Musk, der Besitzer der Plattform, hat die Entscheidung scharf kritisiert. Er spricht von „Zensur“ und nennt de Moraes, den zuständigen Richter, einen „bösen Diktator“. Dieser wiederum hatte Musk in seinem Urteil vorgeworfen, der Milliardär zeige „völlige Respektlosigkeit gegenüber der brasilianischen Souveränität und insbesondere gegenüber der Justiz“.

Der Streit zwischen der Plattform und den Behörden schwelt seit Monaten. Brasilien ist nicht nur die größte Nation in Südamerika, sondern auch die netzaffinste. In kaum einem anderen Land der Region verbringen die Menschen so viel Zeit online, auf Nachrichtenseiten oder Messengerdiensten, aber auch in sozialen Netzwerken, bei Facebook, Tiktok, Instagram oder eben X.

Auch Whatsapp wurde in Brasilien mehrmals blockiert

Dort werden aber nicht nur Statusmeldungen und harmlose Fotos verbreitet, sondern auch viele Falschnachrichten. Dies hat längst Konsequenzen über das Netz hinaus. Als am 8. Januar 2023 ein gewaltbereiter Mob von Anhängern des rechtsextremen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro das Regierungsviertel in der Hauptstadt Brasília stürmte, war dies nur möglich, weil die Angreifer sich zuvor über das Internet zu den Attacken verabredet hatten und diese dort organisierten.

Die brasilianische Justiz versucht seit Jahren gegen Desinformation vorzugehen und ist dabei nicht zimperlich. So wurde mehrmals der Messengerdienst Whatsapp blockiert, weil dieser behördlichen Anordnungen nicht nachgekommen war. 2016 wurde ein Mitarbeiter des Unternehmens kurzzeitig festgenommen.

Richter Alexandre de Moraes gilt mittlerweile als oberster Vorkämpfer gegen die Flut aus Falschnachrichten im Netz. Er hat immer wieder Videos löschen lassen oder Dienste angewiesen, einzelne Konten oder Nutzer wegen Diffamierung oder Hassrede zu sperren. Dies brachte ihm nicht nur Beifall ein. Vor allem in rechten Kreisen in Brasilien und bei Anhängern von Ex-Präsident Bolsonaro wurde Moraes zur Hassfigur. Das ist nicht ohne Ironie, denn der 55-Jährige galt bis vor ein paar Jahren noch als konservativer Hardliner.

Heute werfen ihm Kritiker vor, die Redefreiheit einzuschränken, und X-Eigentümer Elon Musk hat sich dieser Argumentation angeschlossen. Moraes sei ein „Tyrann“ und ein „Diktator“, schrieb Musk in den vergangenen Monaten immer wieder auf seiner eigenen Plattform. Und er widersetzte sich mit seinem Unternehmen wiederholt Anweisungen der Justiz. Konten wurden nicht gesperrt, seit Anfang August hat X auch keinen Vertreter mehr im Land, obwohl dies in Brasilien laut Gesetz eigentlich Vorschrift ist.

Nachdem X den Anordnungen trotz Drohung mit Geldstrafen nicht Folge geleistet hatte, ordnete vergangene Woche Richter de Moraes die Sperrung an. Wie erwartet trugen seine Kollegen am Obersten Gerichtshof diese Entscheidung mit. Musk hat angekündigt, nicht nachgeben zu wollen. Nutzer in Brasilien sollten stattdessen auf seinen Satelliten-Internetdienst Starlink umsteigen. X gegen Brasilien: Die nächste Runde kommt bestimmt.

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