Er selbst ist inzwischen ziemlich weit weg. Aber trotz der mehr als 6800 Kilometer, die Joesley Batista durch seine Reise nach New York zwischen sich und seinen Kontrahenten Michel Temer gebracht hat, dürfte er sehr genau verfolgen, was für ein politisches Beben er in seiner Heimat Brasilien ausgelöst hat. Nachdem die 2014 begonnenen Ermittlungen in der "Operation Hochdruckreiniger" zum größten Korruptionsskandal des Landes immer weitere Kreise in der politischen und wirtschaftlichen Elite gezogen haben, ist daraus in den vergangenen Tagen ein Kampf zweier Alphatiere geworden: zwischen Brasiliens Präsident Temer und Batista, einem der reichsten Unternehmer des Landes.
Seit Donnerstag ermittelt der Oberste Gerichtshof Brasiliens gegen Temer wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit und Behinderung der Justiz. Das 76 Jahre alte Staatsoberhaupt galt bis dahin als einer der wenigen, die nicht in den Skandal um Schmiergeldzahlungen bei Auftragsvergaben von Konzernen verwickelt waren - bis Batista als Kronzeuge bei der Staatsanwaltschaft aussagte und Gesprächsaufzeichnungen von sich und Temer aushändigte. Bei einem Treffen Anfang März soll Temer der Zahlung von Schweigegeld zur Vertuschung von Korruption an den ehemaligen Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha zustimmt haben.
Das von Batista ausgelöste Beben ist nicht nur wegen der Vorwürfe gegen Temer besonders heftig
Temer und seine Anwälte bestreiten, dass der Mitschnitt authentisch sei, Untersuchungen hätten ergeben, dass die Aufnahme bearbeitet wurde. Das Verfahren gegen ihn sei wegen der Manipulation des Beweismittels einzustellen. Überhaupt sei er das Opfer einer politischen Intrige, die Vorwürfe seien erfunden. Zurücktreten, sagte Temer am Samstag, werde er nicht. Außerdem habe Batista, der mit seinem Bruder Wesley einen der weltweit größten Fleischkonzerne, JBS, leitet, kriminellen Insiderhandel betrieben. Deswegen solle viel eher Batista verhaftet werden. "Aber er ist frei und spaziert jetzt durch die Straßen New Yorks", wird Temer zitiert. Nach Bekanntwerden der Ermittlungen gegen Temer brach Brasiliens Börse ein.
Das von Batista ausgelöste politische Beben ist jedoch nicht nur wegen der Vorwürfe gegen Temer besonders heftig. Laut der vom Obersten Gerichtshof veröffentlichen Aussagen gab der Unternehmer an, seine Firma habe die Kampagnen von 1829 Kandidaten aller Parteien finanziert. Ebenso seien Gelder an die früheren Staatsoberhäupter Luiz Inácio Lula da Silva und Dilma Rousseff, Präsidentschaftskandidaten und 167 Abgeordnete geflossen - insgesamt wohl 137 Millionen Euro. Temer soll von JBS mehr als vier Millionen Euro für seine letzte Wahlkampagne erhalten haben, wovon er offenbar 280 000 Euro auf ein privates Konto fließen ließ.
Nach dem Ölkonzern Petrobras und dem Bauunternehmen Odebrecht scheint auch JBS die brasilianische Politik jahrelang mit Millionen geschmiert zu haben. Im ganzen Land demonstrieren nun Hunderttausende für Temers Rücktritt, die parlamentarische Opposition fordert Neuwahlen.
Batista selbst war schon zuvor ins Visier von Ermittlungen wegen Betrug und Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Krediten geraten und sagte schließlich bei der Bundesjustiz aus. JBS soll laut O Globo mehr als umgerechnet 1,37 Milliarden Euro an Krediten von der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES bekommen und dann die öffentlichen Kassen um mehr als 300 Millionen Euro geprellt haben. In einem Vergleich kaufte sich der 44-Jährige für 65 Millionen Euro frei, die Staatsanwaltschaft sagte ihm Straffreiheit und ein Aufenthaltsrecht in den USA zu, wo er seinen Zweitwohnsitz hat.
Dass Joesley Batista nun gegen seinen früheren Verbündeten aussagt, hat offenbar moralische Gründe: Angeblich will er die Korruption im Land beenden und mit gutem Beispiel vorangehen. Am Ende könnte er tatsächlich ein Amtsenthebungsverfahren gegen Michel Temer eingeleitet haben - dabei aber auch selbst im Gefängnis landen.