Süddeutsche Zeitung

Neuer Präsident:Die Bolsonaro-Familie regiert Brasilien

  • Die Bolsonaros sind jetzt die mächtigste Sippe im Land. Drei Söhne des Präsidenten sind in der Politik aktiv. Manch einer hält sie für gefährlicher als den Vater.
  • Jair Bolsonaro bietet einem berühmten Richter an, sein Justizminister zu werden. Dieser wird vor allem vom konservativen und ultrarechten Teil der Gesellschaft verehrt.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Der Mann, der die Wahl Jair Bolsonaros zum brasilianischen Präsidenten am Ende noch einmal gefährdete, heißt Eduardo Bolsonaro. Er ist der Sohn des künftigen Staatschefs. Eine Woche vor der Abstimmung wurde ein Video publik, in dem Eduardo Bolsonaro, 34, zu angehenden Polizisten sprach. Um den Obersten Gerichtshof (STF) zu schließen, brauche es nichts weiter als einen Soldaten und einen Gefreiten, sagte er.

Das löste Empörung im Land aus, in den Umfragen schmolz der Vorsprung seines Vaters zusammen. Man kann in Brasilien offenbar linke Politiker, Journalisten, Frauen, Schwule und Indigene beschimpfen, aber bei der Bedrohung der Justiz hört der Spaß auf. Jair Bolsonaro hat die Empörungswelle gerade noch rechtzeitig abgebremst, indem er "den Jungen" scharf zurechtwies, wie er mitteilte. Wer den STF schließen wolle, brauche einen Psychiater. Es ist aber nicht anzunehmen, dass "der Junge" nun in Behandlung muss, vielmehr wird er gemeinsam mit seinem Vater und seinen Brüdern die Politik in Brasília prägen. Eduardo Bolsonaro, oder Bolsonarinho, wurde gerade mit einem Rekordergebnis ins Abgeordnetenhaus gewählt. Der Erstgeborene Flávio Bolsonaro, 37, hat wiederum einen Sitz im Senat erobert. Während Carlos Bolsonaro, 35, der seit 18 Jahren im Stadtrat von Rio sitzt, als das Mastermind hinter der Propagandamaschine des neuen Präsidenten gilt. Gewonnen hat bei diesen Wahlen nicht nur ein Mann, sondern sein ganzer Clan. Die Bolsonaros sind jetzt die mächtigste Sippe im Land. Und manch einer hält die drei Jungen für gefährlicher als den Papa.

Es ist keine allzu gewagte Vermutung, dass sie ihre Abneigung gegen den Obersten Gerichtshof zu Hause erlernt haben. Ihr Vater ist beim STF als Angeklagter aktenkundig. Richterin Rosa Weber teilte am Montag mit, es werde noch analysiert, ob er damit das Präsidentenamt überhaupt antreten könne. Jair Bolsonaro muss sich vor dem STF wegen des Vorwurfs des Aufrufs zur Vergewaltigung verantworten. Er hatte einer linken Politikerin vor laufenden Kameras gesagt, sie sei es nicht wert, von ihm vergewaltigt zu werden.

Bolsonaro will den berühmten Ermittler Sérgio Moro zum Justizminister machen

Seit Sonntagabend hat Jair Bolsonaro seinen Tonfall gemäßigt. Vor allem versucht er dem Eindruck entgegenzuwirken, er habe keinen Respekt vor der Verfassung und der Justiz. In einem seiner ersten Fernsehinterviews als gewählter Präsident bot er dem berühmten Richter und Korruptionsermittler Sérgio Moro an, ihn zum Justizminister oder zum Mitglied des Obersten Gerichtshofs zu ernennen. Laut der Zeitung O Globo denkt Moro zumindest darüber nach. Damit könne man der Angst eines Teiles der Gesellschaft entgegenwirken, dass unter dem künftigen Präsidenten der Rechtsstaat in Gefahr sei, soll Moro gesagt haben. Zu erwarten ist aber, dass diese Angst mit seiner Beförderung eher noch steigen dürfte. Moro wird vor allem vom konservativen und ultrarechten Teil der Gesellschaft verehrt und vom Rest verabscheut, seit er den ehemaligen linksgerichteten Staatschef Lula da Silva zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilte. Das Urteil fußte auf dünnen Indizien, führte aber dazu, dass Lula von einer Präsidentschaftskandidatur ausgeschlossen wurde. So wurde der Weg frei für Jair Bolsonaro.

Am Sonntag erhielt er 55 Prozent der gültigen Stimmen. Dieser rapide Aufstieg wäre ohne Hilfe der Söhne undenkbar gewesen, die auf allen Kanälen für die Überzeugungen ihres Vaters trommeln, oft mit infamen Unterstellungen und fast immer mit der Kernthese: Wer nicht für uns ist, ist für den Kommunismus. Gemeinsam haben sie fast zwölf Millionen Follower auf Facebook. Und noch viel mehr Menschen erreichen sie über ein riesiges Netzwerk von Whatsapp-Gruppen.

Chefstratege ist der 35-jährige Carlos. Er gilt als Lieblingskind Jair Bolsonaros und als Befürworter der Taktik, die Presse und die Linke im Land hart zu attackieren. Damit soll er im Clinch liegen mit seinem moderateren Bruder Flávio. Als der 2016 bei einem TV-Duell um das Bürgermeisteramt in Rio fast in Ohnmacht fiel, leistete eine ausgebildete Medizinerin, die für die kommunistische Partei kandidierte, Nothilfe - bis der Vater dazwischenging, Kommunisten dürften seinen Sohn nicht anrühren. Was den Clan eint, ist die Verehrung der Militärdiktatur, die Freude an Schusswaffen und die Abneigung gegen Schwule. Jair Bolsonaro, der so vehement für "traditionelle Familienwerte" eintritt, ist zum dritten Mal verheiratet. Aus zweiter und dritter Ehe hat er einen weiteren Sohn und eine Tochter. Als diese zur Welt kam, entschuldigte er sich für den "kleinen Schwächeanfall."

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SZ vom 31.10.2018/saul
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