Brasilien:Bolsonaro vor Sieg 

Second round of the presidential election in Brazil

Anhänger von Jair Bolsonaro feiern in São Paulo.

(Foto: Nacho Doce/Reuters)

Der Rechtsnationalist Jair Bolsonaro hat nach ersten Hochrechnungen die Präsidentenwahl gewonnen. Bei der Stichwahl lag er mit 56 Prozent deutlich vorn.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Der rechtsextreme Jair Bolsonaro, 63, ist offenbar zum neuen Staatspräsidenten Brasiliens gewählt worden. Bei der Stichwahl am Sonntag kam er nach Auszählung von 88 Prozent der Urnen auf etwa 56 Prozent der Stimmen. Sein Gegenkandidat Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei lag bei rund 44 Prozent. Eine zweistellige Prozentzahl der Wähler enthielt sich oder machte seine Stimme ungültig. Das ist bemerkenswert, weil in Brasilien Wahlpflicht herrscht. Die hohe Zahl der Abstinenzler dürfte Bolsonaro geholfen haben. Die meisten Brasilianer waren von keinem Kandidaten überzeugt und Haddad war es offenbar nicht gelungen, sie ausreichend Maße für eine Wahl des geringeren Übels zu mobilisieren.

Den ersten Wahlgang Anfang Oktober hatte Bolsonaro mit über 16 Prozentpunkten Vorsprung vor Haddad gewonnen. In den jüngsten Umfragen hatte aber einiges auf eine Trendwende hingedeutet. Das dürfte unter anderem an einem Bericht der Zeitung Folha de S. Paulo gelegen haben, in dem die illegale Finanzierung einer gigantischen Fake-News-Kampagne zugunsten Bolsonaros enthüllt wurde. Die Zeitung und vor allem die Autorin des Artikels wurden seither massiv bedroht, und damit auch die Pressefreiheit in Brasilien. Bolsonaro kündigte daraufhin "eine Säuberung" an, wie sie dieses Land noch nie gesehen habe. Dieses Land hat unter anderem eine über zwei Jahrzehnte währende Militärdiktatur, die Bolsonaro verherrlichte.

"Heute steht die Demokratie auf dem Spiel", sagte Haddad bei der Stimmabgabe in São Paulo. Viele Anhänger Haddads brachten ihr Lieblingsbuch in die Wahlkabine mit und veröffentlichten ein Foto da-von. Das war eine Anspielung auf einen Bolsonaro-Wähler, der in der ersten Runde die elektronische Urne mit dem Lauf einer Pistole betätigt hatte und sich voller Stolz dabei filmte. Die Waffe stellte sich als Attrappe heraus. Mit der Bücheraktion sollte aber auch demonstriert werden, worum es bei der Abstimmung am Sonntag in Brasilien ging: Um die Frage, ob das größte Land Südamerikas künftig von einem Mann der Worte oder einem Mann der Waffen regiert wird. Bolsonaro ging in Rio de Janeiro wählen. Er trug er eine kugelsichere Weste und wurde von Soldaten begleitet.

Was sich vor der Abstimmung ereignet hatte, werteten viele als Vorgeschmack auf das Brasilien der nahen Zukunft. Polizisten drangen in 20 Universitäten ein und konfiszierten Transparente, die vor einem Faschismus warnten. Dies wurde mit dem Hinweis auf ein Gesetz begründet, das Wahlwerbung am Wochenende der Abstimmung verbietet. Bolsonaro sagte: "Die Universität ist kein Ort für Proteste". Viele fragen sich nun, an welchem Ort man künftig überhaupt noch gegen den Präsidenten demonstrieren darf.

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