Der neue Präsident von Brasilien wurde demokratisch gewählt, aber das heißt nicht, dass er ein Demokrat ist. Diesen Titel erhält man nicht automatisch, man muss ihn sich erwerben. Man erwirbt ihn nicht, indem man die Massen mit einfachen Antworten auf komplexe Fragen begeistert, oder mit einer professionell gesteuerten Lügenkampagne in sozialen Netzwerken. Man darf sich unter anderem dann Demokrat nennen, wenn man neben der Mehrheit auch die Minderheiten und die Andersdenkenden respektiert. Das hat Jair Bolsonaro nie getan. Deshalb ist er eine große Gefahr für die größte Demokratie Lateinamerikas.
Bolsonaro hat im Wahlkampf kundgetan, dass er kein anderes Ergebnis als seinen Sieg akzeptiert hätte. Seinen Gegenkandidaten Fernando Haddad erkannte er nie als politischen Rivalen an. Er bezeichnete ihn und seine Unterstützer als "rote Banditen", die "ausgelöscht" gehörten.
Brasilien:Nun hilft nur Beten
Die fünftgrößte Nation der Welt hat jetzt einen Präsidenten, der Folterer verherrlicht, Frauen und Homosexuelle demütigt und dessen Agenda den Amazonas bedroht.
Er kündigte an, Haddad ins Gefängnis zu stecken, und zwar ohne zu sagen, für welches Vergehen. Er sprach von einer "Säuberung, wie sie Brasilien noch nicht gesehen hat". Es gibt keine demokratische Spielregel, die Bolsonaro noch nicht gebrochen, kein elementares Menschenrecht, das er noch nicht bedroht hätte.
Man muss deshalb nicht historisch klar eingegrenzte Begriffe wie den des "Faschismus" bemühen. Auch kein Vergleich mit Trump, Duterte, Pinochet oder gar mit Hitler hilft jetzt weiter, um den nächsten brasilianischen Staatschef zu beschreiben. Es genügt, Jair Bolsonaro als das zu bezeichnen, was er ist: ein Gewaltverherrlicher. Ein Befürworter der Diktatur, der Folter, der Todesstrafe, des Maschinengewehrs in jedem Wohnzimmer.
Das war keine Wahl Linksextremismus oder Rechtsextremismus, zwischen Pest und Cholera, wie viele aus der gesellschaftlichen Mitte behauptet haben, um ihre wenn auch zähneknirschende Unterstützung Bolsonaros zu rechtfertigen. Es war, um im Bild zu bleiben, eher eine Wahl zwischen Schnupfen und Herzinfarkt. Brasilien hat sich für den Infarkt entschieden.
Einer Parlamentskollegin sagte Bolsonaro, sie sei es nicht wert, vergewaltigt zu werden
Wann hat Jair Bolsonaro die rote Linie überschritten, die ihn aus dem Kreis der Demokraten ausschließt? Als er forderte, politische Gegner erschießen zu lassen? Den Kongress zu schließen? Den ärmsten Teil der Bevölkerung zu sterilisieren? Den Indigenen ihre Reservate wegzunehmen? Die NGOs aus dem Land zu werfen? Oder als er einer Kollegin im Parlament ins Gesicht sagte, sie sei es nicht wert, von ihm vergewaltigt zu werden, was im Umkehrschluss ja heißen würde: Andere Frauen seien eine Vergewaltigung wert.
Fast alles, was Bolsonaro androht, klingt so absurd, dass der Verdacht entsteht, es handele sich um geschmacklose Witze. Demoskopen staunen über ein seltsames Phänomen: Viele seiner Wähler gaben an, es sei kein Problem, für ihn zu stimmen, weil er nicht umsetzen werde, was er sage. Das könnte sich als Irrtum erweisen.
Im Kongress stellt seine Partei künftig die zweitgrößte Fraktion. Außerdem wird er von einer parteiübergreifenden Allianz aus religiösen Fundamentalisten, einstigen Soldaten und Großgrundbesitzern unterstützt. Diese sogenannte Bancada BBB, die Bibel-, Blei- und Bullenfraktion, dürfte gemeinsam mehrheitsfähig sein. Politisch gibt es wenige Möglichkeiten, Bolsonaro einzudämmen. Die Hoffnung der brasilianischen Demokraten ruht auf der Justiz, auf dem Schutz einer Verfassung, die zu den fortschrittlichsten der Welt gehört.
Präsidentschaftswahl:Bolsonaros Sieg stellt die Zukunft der brasilianischen Demokratie in Frage
Bis vor Kurzem galt der ultrarechte Jair Bolsonaro noch als skurriler Spinner. Jetzt haben ihn die Brasilianer zu ihrem neuen Präsidenten gewählt.
Bolsonaro wird aber kein einziges Gesetz ändern müssen, um großen Schaden anzurichten. Mit seiner vergifteten Sprache hat er das bereits getan. Wenn das berüchtigte polizeiliche Killerkommando Bope künftig Verbrecher und Verdächtigte erschießt, wenn Farmer im wilden Norden aufmüpfige Indigene oder Umweltaktivisten aus dem Weg räumen, dann wissen sie, dass sie im Einverständnis mit dem Staatschef handeln. Sie haben die Lizenz zum Töten.
Dieser Präsident ist aber nicht nur eine Gefahr für Brasilien, sondern für die gesamte Welt. Das brasilianische Amazonasgebiet, der größte Regenwald der Erde, spielt eine essenzielle Rolle bei dem Versuch, den Klimawandel doch noch aufzuhalten. Bolsonaro sowie die Militärangehörigen und Agrarlobbyisten, die mit ihm an die Macht gelangen, leugnen das.
Zu den zentralen Projekten der kommenden Regierung gehört es, den Amazonas zur wirtschaftlichen Ausbeutung freizugeben. Ein Kettensägenmassaker steht bevor. Bolsonaro spielte auch offen mit dem Gedanken, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen, in dem Brasilien eine Schlüsselrolle einnimmt. Dieser Planet ist schon mit einem Präsidenten Donald Trump gestraft. Er verträgt keinen Präsidenten Jair Bolsonaro mehr.