Süddeutsche Zeitung

Kein Geld für Hygieneartikel:Mädchenproblem

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In Brasilien bleiben viele Schülerinnen zu Hause, wenn sie ihre Tage haben. Wegen Präsident Bolsonaro wird das erst einmal so bleiben.

Von Christoph Gurk

Es gibt Bevölkerungsgruppen, mit denen man sich als Politiker anlegen kann und sogar muss - Schulmädchen allerdings gehören normalerweise nicht dazu.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat dennoch einen Streit mit ihnen begonnen: Letzte Woche legte der rechte Politiker ein Veto ein gegen einen Gesetzesentwurf, der unter anderem vorsah, an öffentlichen Schulen kostenlose Binden zu verteilen.

Die Initiative sollte helfen, die sogenannte Menstruationsarmut zu bekämpfen: Allein in Brasilien gibt es laut den Vereinten Nationen mehr als vier Millionen Mädchen, die kein Geld haben für Produkte der Monatshygiene oder auch nur Zugang zu Toiletten oder fließendem Wasser. Das hat gravierende Folgen. Studien zeigen, dass etwa ein Viertel der Brasilianerinnen zwischen zwölf und 19 Jahren schon einmal im Unterricht abwesend war, einzig und allein weil ihnen während ihrer Periode eine Binde fehlte.

2019 hatten Abgeordnete verschiedener Parteien darum einen Gesetzesentwurf eingebracht. Er sollte ein Programm einrichten zum Schutz und zur Förderung der Menstruationsgesundheit. Es richtete sich zunächst nur an Schulen, wurde dann aber auf Wunsch der Parlamentarier noch ausgeweitet auf obdachlose Frauen und die Insassen von Gefängnissen. Auch hier hatten Untersuchungen gezeigt, dass teilweise Lappen, Altpapier oder sogar trockenes Brot als Ersatz für Binden benutzt werden müssen.

Gerade einmal acht kostenlose Binden pro Kopf und Monat sah der Gesetzesentwurf vor, insgesamt für mehr als fünf Millionen Frauen und junge Mädchen und bei Kosten, die etwas mehr als 13 Millionen Euro pro Jahr betrugen.

Doch so weit kam es nicht mehr. Denn im September hatten die Abgeordneten das Gesetz zwar verabschiedet, letzte Woche aber stoppte Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro die Initiative mit seinem Veto. Binden stünden nicht auf der Liste der essentiellen Produkte und es sei vollkommen unklar, woher das Geld für die kostenlosen Hygieneprodukte kommen solle. Brasiliens evangelikale Ministerin für Frauen und Familie, Damares Alves, ging sogar noch einen Schritt weiter und sagte, wegen der Covid-19-Pandemie seien die Kassen so leer, dass man sich entscheiden müsse: " Entweder Binden - oder Impfungen".

Das Gesetz muss nun zurück in den Kongress. Dieser hat 30 Tage Zeit, um das Veto des Präsidenten anzuerkennen oder abzulehnen. Präsident Jair Bolsonaro glaubt, die Opposition wolle mit den kostenlosen Binden vor allem Stimmen fangen. Er hat schon angekündigt, was er tun wird, sollte die Initiative gegen seinen Willen doch noch zum Gesetz werden: "Dann muss ich Mittel aus den Töpfen für Bildung und Gesundheit streichen. Irgendwoher muss das Geld ja kommen!"

Experten, Aktivisten, Politiker und Prominente halten das für Quatsch. Geld sei da, allein der Wille fehle. "Stell dir vor, du bist eine Frau und kannst nicht in die Schule gehen, weil du deine Tage hast, aber keine Binde", schreibt die bekannte Sängerin Ludmilla auf Twitter. Gleichzeitig aber stehe auf dem Tisch von Bolsonaro eine Dose Kondensmilch. Die gezuckerte Konserve gilt als eine Lieblingsspeise des Präsidenten und hat auch beim Militär begeisterte Abnehmer. Die Regierung gibt für sie so viel aus wie keine je zuvor, etwa 2,3 Millionen Euro allein im letzten Jahr. Viel Geld für Büchsenmilch also - aber keines für Binden.

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