Süddeutsche Zeitung

Brasilien:Bolsonaros Popularität ist auf Pump finanziert

Trotz 150 000 Corona-Toter, Waldbränden und dem Verfall der Währung - Brasiliens Präsident ist so beliebt wie nie seit seinem Amtsantritt. Ein Grund ist seine neue Liebe für die Armen.

Kommentar von Christoph Gurk, Buenos Aires

Es sind düstere Zeiten für Brasilien: 150 000 Covid-Tote gibt es mittlerweile und fünf Millionen Infizierte. Gleichzeitig brennen Wälder und Naturparadiese, die Landeswährung verfällt, Korruption und Polizeigewalt grassieren. Es gäbe also genug Gründe, um mit Präsident Jair Bolsonaro unzufrieden zu sein. Stattdessen aber ist er so beliebt wie noch nie seit dem Amtsantritt: 40 Prozent Zustimmung erreicht er in Umfragen.

Diese Popularität aber ist auf Pump finanziert. Einerseits erklärt sie sich mit dem Erfolg der Agrarindustrie, der allerdings zulasten der Natur geht, mit Massentierhaltung und Monokulturen, die dort stehen, wo einst Regenwald wuchs.

Der zweite, noch wichtigere Grund für das Erstarken des Präsidenten ist dessen neue Liebe für die Armen. Seit April zahlt die Regierung Millionen Brasilianern eine monatliche Nothilfe, erst 600, jetzt nur noch 300 Real. Nicht viel, aber genug, um breite Zustimmung zu erhalten.

Nur: Die Zahlungen werden nichts ändern an struktureller Ungleichheit. Und finanziert werden sie nicht durch Steuererhöhungen oder Sparmaßnahmen, sondern durch Schulden. Bolsonaro ist das egal, so wie ihn auch die Waldbrände nicht interessieren. Bis zur Wahl 2022 muss der Erfolg halten, koste es, was es wolle. Die Rechnung bezahlt nicht er, sondern spätere Generationen.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2020/gal
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