Brasilien:Ärzte-Exodus

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Brasiliens künftiger Präsident Bolsonaro verjagt kubanische Mediziner, die sein Land dringend bräuchte. Ihr Herkunftsland ist ihm zu links.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Im Wahlkampf hatte Jair Bolsonaro angekündigt, "die Roten" aus Brasilien "wegzufegen". Etwa sechs Wochen vor Amtsantritt kann der gewählte Präsident in diesem Sinne bereits Erfolge vorweisen: An diesem Donnerstag starteten aus Brasília, Salvador, São Paulo und Manaus die ersten Maschinen in Richtung Havanna, um Hunderte kubanische Ärzte auszufliegen. Dies ist allerdings ein Erfolg, der sich auf die antikommunistische Propaganda Bolsonaros beschränkt. Für Millionen von Brasilianern könnte das fatale Folgen haben. Die Kubaner waren Teilnehmer des Programmes "Mais Médicos" (Mehr Mediziner), mit dem in den vergangenen Jahren ein Teil der riesigen Lücken in Brasiliens Gesundheitssystem geschlossen wurden. Laut der panamerikanischen Gesundheitsorganisation Opas sind derzeit noch 8332 kubanische Ärzte in Brasilien registriert. Sie alle sollen bis zum 12. Dezember in ihre Heimat zurückkehren.

Bolsonaro hat sie nicht direkt "weggefegt", aber er hat ihren Rückruf bewusst provoziert. Immer wieder stellte er die Eignung der aus Havanna entsandten Mediziner in Frage. Zuletzt behauptete er, dass es keinerlei Beweise dafür gebe, dass die Kubaner "echte Ärzte" seien. Bei "Mais Médicos" gehe es vor allem darum, die "kubanische Diktatur" zu finanzieren. Bolsonaro findet Diktaturen nur dann gut, wenn sie rechts sind, wie die ehemalige brasilianische Militärdiktatur. Im Falle Kubas spielt sich der künftige Staatschef, der sich oft rassistisch, homophob und frauenfeindlich geäußert hat, als Menschenrechtler auf. Denn die Kubaner werden aus seiner Sicht in Brasilien wie Sklaven ausgebeutet.

Es war abzusehen, dass Havanna dies nicht lange auf sich sitzen lassen würde. "Es ist nicht hinzunehmen, dass die Würde, die Professionalität und der Altruismus der kubanischen Ärzte infrage gestellt wird", hieß es in einer Stellungnahme des kubanischen Gesundheitsministeriums. Sie war mit dem Rückruf aller kubanischen Mediziner aus Brasilien verbunden.

Mehrere Gouverneure aus dem Norden und dem Nordosten des Landes haben nun einen offenen Brief an Bolsonaro geschrieben, in dem sie darum bitten, den Exodus zu stoppen und die Kooperation mit Kuba fortzusetzen. Andernfalls befürchten sie einen Kollaps der Gesundheitsversorgung in ihren Bundesstaaten. Besondersbetroffen sind die Gebiete der Indigenen, wo die Kubaner zum Teil 90 Prozent der Ärzte stellen. Der Bevölkerung drohe im Falle des Abzugs ein "irreparabler Schaden", warnte der Rat der Landesgesundheitsminister. Demnach stünden damit auf einen Schlag etwa 29 Millionen Brasilianer ohne Zugang zu ärztlicher Versorgung da.

Tatsächlich gibt es berechtigte Zweifel an dem kubanischen Altruismus. Das Land hat seine in der Regel gut ausgebildeten Mediziner in über 60 Staaten entsandt und daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Im Fall von Brasilien streicht Havanna 75 Prozent der Ärztegehälter von etwa 2900 Euro für den Staatshaushalt ein. Darauf bezieht sich auch Bolsonaros Vorwurf der Sklavenarbeit. Trotzdem ist nicht anzunehmen, dass es ihm um eine gerechte Bezahlung der Kubaner geht. Sein Hass gegen alles, was ihm rot erscheint, geht so weit, dass er einmal einer Ärztin, die der kommunistischen Partei Brasiliens angehört, untersagte, seinem eigenen Sohn Erste Hilfe zu leisten.

© SZ vom 23.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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