Brandgutachten:Der Fall Oury Jalloh zeigt: Die Justiz korrigiert sich nicht gerne

Brandanalyse Zellenbrand Oury Jalloh

Brandanalyse im Fall Oury Jalloh: Die Umstände seines Todes sollen rekonstruiert werden.

(Foto: Arno Burgi/dpa)

Oury Jalloh verbrannte 2005 in Polizeigewahrsam, jetzt wird sein mysteriöser Tod wieder aufgerollt. Das ist viel zu spät.

Kommentar von Heribert Prantl

Es gibt zwei Formen des Justizirrtums - den schrecklichen und den furchtbaren. Bei der ersten Form handelt es sich um die fahrlässige Verurteilung Unschuldiger; bei der zweiten Form um die fahrlässige Nichtverurteilung Schuldiger. Beide Fehler erschüttern die Autorität der Rechtspflege.

Bei der ersten Form des Justizirrtums macht es das geltende Recht höllisch schwer, den Fehler zu korrigieren und eine Verurteilung wieder aufzuheben; auf knapp zehntausend rechtskräftige Verurteilungen kommt nur eine einzige Wiederaufnahme. Schuld daran sind die hohen Hürden des Wiederaufnahmerechts.

Die zweite Form des Justizirrtums beruht auf menschlichem Versagen: Wie viele Schuldige nicht verurteilt werden, weil sich Ermittlungsbehörden und Justiz vorzeitig auf eine harmlose oder vertuschende Sichtweise der Tat festgelegt haben, entzieht sich zwar den Schätzungen, aber nicht der öffentlichen Erregung. Zu dieser zweiten Kategorie des Justizirrtums zählt wohl der Fall Oury Jalloh.

Seit zehn Jahren hält die Justiz trotz massiver Zweifel daran fest, dass dieser Mann im Polizeigewahrsam seine Zelle angezündet hat und dabei zu Tode kam; dem Verdacht, dass der von der Polizei gefesselte Jalloh mit Benzin übergossen wurde, gingen die Ermittler nicht ausreichend nach. Soeben lässt zwar die Staatsanwaltschaft ein neues Brandgutachten machen; das aber ist spät, viel zu spät.

Solche Fehler erschüttern das Vertrauen in die Justiz

Solche Fehler, solche Irrtümer sind entsetzlich, weil sie das Vertrauen in die Justiz zerstören. Etliche andere, vergleichbare Fälle kommen einem da in den Sinn: Der des Berufsfachschülers Tennessee Eisenberg in Regensburg etwa, der 2009 von der Polizei mit zwölf Schüssen getötet wurde. Ermittlungsbehörden und Justiz legten sich hier sehr schnell auf Notwehr der Polizisten fest und ließen sich davon durch nichts und niemand mehr abbringen.

Zu Kategorie der Nichtverurteilung Schuldiger zählt auch das Oktoberfestattentat von 1980 in München: Die Ermittlungsbehörden legten sich viel zu schnell auf die Einzeltäter-Theorie fest. Angeblich war allein der beim Attentat ums Leben gekommene rechtsextremistische Attentäter an der Tat beteiligt.

Beide Formen des Justizirrtums - die fahrlässige Verurteilung Unschuldiger und die fahrlässige Nichtverurteilung Schuldiger - zeigen: Die justizinternen Korrektursysteme funktionieren nicht gut genug.

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