Brandenburg:Teslas Märchenwald

Geplantes Tesla-Gelände

In Grünheide östlich von Berlin plant Tesla den Bau einer "Gigafactory“, wo von 2021 an Elektroautos produziert werden sollen.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Wo die neue Fabrik entsteht, will das Unternehmen Bäume roden und andernorts neue pflanzen. Angesichts der Trockenheit wird das nicht leicht.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Wer in diesem Kiefernwald, eine halbe Autostunde südöstlich von Berlin, nach Erholung sucht, kann lange suchen. Kein wildes Schwein weit und breit, stattdessen dürre, lange Stämmlein, ganz oben ein bisschen Grün. Man sieht viele Bäume aber keinen Wald. Auf dem Boden knacken keine Äste, eher scheppert mal eine leere Dose, alte Plastiktüten rascheln im Wind. Autobahnwald werden solche Anpflanzungen in Brandenburg genannt, sie säumen die Schnellstraßen, damit es nicht gar so karg aussieht, und auch hier in der Gemeinde Grünheide ist der Berliner Ring, der die Hauptstadt umschließt, nicht weit.

Trotzdem ist die spröde Baumansammlung zum Märchenwald geworden. Der Weltkonzern Tesla möchte hier seine vierte Gigafactory bauen, es wäre die spektakulärste Industrieansiedlung in der Geschichte des Bundeslandes. "Ein Signal von Brandenburg hinaus in die Welt", nennt es Wirtschaftsminister Jörg Steinbach. Auf der anderen Seite wirft der kleine Wald große Fragen auf: Wie hält es die neue Regierungskoalition aus SPD, CDU und Grünen mit dem Naturschutz? Wenn alles glatt läuft, werden die Bäume, etwas vereinfacht gesagt, sehr bald dem Autobauer Tesla gehören. Das Genehmigungsverfahren für den Bau der Fabrik ist seit Montag eröffnet, Tesla hat die ersten 30 Stellen ausgeschrieben, 2021 soll bereits das erste Auto produziert werden.

Bereits bis Ende Februar sollen 90 Hektar Wald gerodet werden,

Nur ein kleiner Kreis aus der Regierung war an der Anbahnung dieses Coups beteiligt, viele andere fühlen sich nun etwas überrumpelt. Vor allem, da der Wald eine "Blackbox" sei, sagen die Naturschützer vom Nabu. Es gibt zwar einen Bebauungsplan für das 300 Hektar große Grundstück, der stammt von 2001, damals wollte BMW ein Werk errichten, ging dann aber nach Leipzig. Doch in den vergangenen 20 Jahren kann sich zwischen den Kiefern viel getan haben, seltene Reptilien könnten da jetzt leben, Baumfalken, Fledermäuse.

Bei Ansiedlungen wie der von Tesla, beim Bau von Wohnsiedlungen oder ICE-Trassen schreibt das Bundesnaturschutzgesetz vor, dass der Eingriff in die Natur ausgeglichen werden muss. Im besten Fall in unmittelbarer Nähe. Wald muss dabei nicht zwangsläufig mit Wald vergolten werden. Es können genügsame Magerrasenflächen angelegt werden oder robuster Mischwald anstelle der einfachen und anfälligen Kiefernpflanzungen. Um den Bau einer Stromtrasse auszugleichen, musste der Netzbetreiber Tennet in Franken rund drei Millionen Euro zahlen. Dafür sollen 35 000 Büsche und Bäume gepflanzt und Blumenwiesen angelegt werden. Auch beim Bau von Windrädern oder Autobahnen werden Ausgleichsmaßnahmen fällig.

Das Unternehmen Tesla hat angeboten, die Fläche an Wald, die es roden will, in dreifachem Umfang auszugleichen. Axel Kruschat, Geschäftsführer des Bund Naturschutz Brandenburg, hält das für glaubwürdig: "Ich vermute, dass Tesla auf jeden Fall bereit sein wird, über den gesetzlichen Ausgleich hinauszugehen." Seit einigen Wochen gebe es regelmäßige Telefonkonferenzen mit der Steuerungsgruppe Tesla der Landesregierung. "Der Austausch ist deutlich intensiver als mit den Vorgängerregierungen", sagt Kruschat. Dabei gehe es vor allem um die Frage, welcher Ausgleich für die Kiefern geschaffen werden soll. Ginge es nach Kruschat, wäre es am besten, andere Kiefernwälder in Mischwälder umzubauen. Denn im Speckgürtel von Berlin sei es schwierig, noch brache Flächen für neue Anpflanzungen zu finden.

Doch so konstruktiv die Verhandlungen auch sind, die Probleme liegen nach Ansicht des Umweltschützers ohnehin an anderer Stelle. Denn natürlich pflanzt Tesla nicht selbst, sondern zahlt Geld, entweder an die Gemeinde direkt oder an den landeseigenen Naturschutzfonds, eine Stiftung, die seit 1995 geeignete Projekte entwickelt. "Durch den Boom ist viel Geld vorhanden", sagt Kruschat. Aber viele der Vorhaben "liegen auf der langen Bank, weil die Menschen in der Verwaltung auch nur 24 Stunden am Tag haben". Andersherum gesagt: Es fehlt an Personal in den Behörden, um die Ausgleichszahlungen auch sinnvoll auszugeben. "Man kann nicht einfach irgendwo hingehen und einen Baum pflanzen", sagt Kruschat. Das sei schon wegen der Genehmigungen so kompliziert wie der Bau eines Parkplatzes. Hinzu kommt, dass Neupflanzungen über lange Zeit betreut werden müssen. Doch das Geld reicht oft nur für ein, zwei Jahre. Und nur selten werde wirklich kontrolliert, ob Bäume auch angewachsen sind oder Streuobstwiesen gedeihen. "Die Natur ist nicht immer so berechenbar", sagt Kruschat.

Eine Studie für den bayerischen Landkreis Ebersberg ergab 2018, dass verabredete Ausgleichspflanzungen auf einem Viertel der Flächen gar nicht vorgenommen worden waren, bei einem weiteren Viertel gab es grobe Mängel. Nur bei 20 Prozent der Flächen war das geschehen, was ausgemacht war.

Kruschat glaubt nicht, dass dies böser Wille ist, die beste Lösung wäre aber eh eine ganz andere: "An sich sind wir in einer Situation, in der man überhaupt keinen Wald mehr fällen darf." Denn der Klimawandel und die Trockenheit hätten dazu geführt, dass die Prognosen über den Zustand des brandenburgischen Waldes für 2037 schon heute wahr geworden seien, sagt Kruschat. Es ist ein paradoxer Zustand hier am Rand von Berlin: Mit Tesla ist die Zukunft in Grünheide angekommen. Und mit einem Wald, der heute schon so kaputt ist, wie er doch erst in 17 Jahren sein sollte.

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