Brandenburg:"Steigbügelhalter der Rechten"

Ingo Paeschke

Ingo Paeschke, aus der Linken ausgeschlossener Fraktionschef in Forst.

(Foto: Lausitzer Rundschau/dpa)

Die Linke in der Stadt Forst kooperiert mit AfD - es hagelt Proteste.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Doris Dreßler lebt im brandenburgischen Forst und ist schon einige Jahre Mitglied der Linkspartei. Als am vergangenen Montag bei der Sitzung des Stadtparlaments einer der Linken-Abgeordneten mit ihr plaudern wollte, sagte sie jedoch: "Ich möchte nichts mehr mit euch zu tun haben. Geht doch zur AfD." Doris Dreßler war selbst 15 Jahre Mitglied in der Forster Fraktion der Linken. Im Juni dieses Jahres dann ist sie ausgetreten. "Ich bin froh, dass ich die Reißleine gezogen habe. Ich kann mich wieder im Spiegel anschauen."

Seit Montag fühlt sich Dreßler in ihrem Beschluss bestätigt. Denn die Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung fand nicht nur auf Initiative der Abgeordneten der Linken statt. Sondern auch auf Betreiben der AfD. Ihre früheren Kollegen seien "wieder einmal als Steigbügelhalter der Rechten nach vorne geprescht", sagt Dreßler. Es ist bereits das zweite Mal in diesem Jahr, dass die Linken in Forst mit den Rechten gemeinsame Sache machen. Im September war deshalb schon der Fraktionsvorsitzende Ingo Paeschke aus der Partei ausgeschlossen worden.

Jetzt droht den letzten beiden verbliebenen Mitgliedern dasselbe Schicksal. "Ich sehe wenig Alternativen dazu", sagt Matthias Loehr, Kreisvorsitzender der Linken in der Lausitz, wo auch die Stadt Forst liegt. Nach der Aktion am Montag wird der Landesverband voraussichtlich einen Ausschlussantrag bei der Landesschiedskommission stellen. "Vieles, was von außen kommt, wird in Forst leider nicht für voll genommen", sagt Loehr ernüchtert. Er sei in den vergangenen Wochen mehrfach in Forst gewesen, um mit den Abgeordneten und dem Ortsverband zu sprechen. Die Linie sei dabei immer klar gewesen: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Das ist immerhin ein Beschluss der Linken auf Bundesebene. Doch die Linie der Forster Fraktion wird auch von der Mehrheit der gut 60 Mitglieder des Ortsverbands der Linken getragen.

Der Linken-Fraktionschef gab mit Vertretern der AfD eine gemeinsame Pressekonferenz

In der Sache geht es bei dem inzwischen maximal aufgeladenen Streit um ein neues Jugendzentrum in der 18 000-Einwohner-Stadt. SPD, CDU, Grüne, FDP und auch die parteilose Bürgermeisterin wollten dafür eine Stadtvilla renovieren lassen. Die AfD, die mit acht Abgeordneten die größte Fraktion stellt, die Linke und das Bündnis "Gemeinsam für Forst" wollen hingegen, dass neu gebaut wird. Ende Mai stimmte das Dreierbündnis gegen den Renovierungsvorschlag. Aber damit nicht genug: Der Linken-Fraktionsvorsitzende Paeschke gab kurz darauf mit Vertretern der AfD und des Bündnisses eine gemeinsame Pressekonferenz.

Die Linken in Brandenburg waren damit desavouiert. Immer wieder hatten sie die CDU in Brandenburg attackiert, wenn diese auf lokaler Ebene mit der AfD paktierte. In Sachsen-Anhalt warf die Linke der CDU schon lange vor dem Streit um die Rundfunkgebühren vor, "ihren Laden nicht im Griff" zu haben: In Eisleben hatte die CDU mit einem AfD-Mann kooperiert. So machten sich die Brandenburger Landesvorsitzende der Linken, Anja Mayer, und ihr Landesgeschäftsführer noch im Juni auf den Weg nach Forst, um die Abtrünnigen wieder einzufangen. Erfolglos.

Ex-Fraktionschef Paeschke begründete seinen Alleingang im Spiegel so: "Wenn wir uns über Jahre hinweg für ein Projekt wie den Neubau des Jugendhauses einsetzen, dann müssen wir auch die Möglichkeit haben, das am Ende umzusetzen." Zwar sehe er die AfD auch als "Rechtsaußenpartei". Aber "die AfD liegt hier klar über 20 Prozent, da können wir doch nicht so tun, als seien sie gar nicht da".

"Die Linke versteht sich doch als soziale Partei", wunder sich die Bürgermeisterin

Für die Stadt hat die eigenwillige Kooperation nun größtmöglichen Schaden angerichtet, sagt die Forster Bürgermeisterin Simone Taubenek. Zwar stimmten die Stadtverordneten immer wieder gemeinsam ab, auch mit der AfD. Aber davon würde die Stadt dann profitieren. Im Falle des Jugendzentrums habe sich die Linke jedoch "richtig verbissen". Die Abgeordneten wollten unbedingt den Neubau - auch wenn dies nur mithilfe der AfD möglich ist. "Und wie stehen wir denn jetzt da?", fragt Taubenek. Fördergelder von weit über zwei Millionen Euro, die für die Renovierung der Villa vorgesehen waren, seien nun verloren. Ein neuer Antrag sei in Zeiten von Corona ziemlich aussichtslos. "Dabei versteht sich die Linke doch als soziale Partei."

Von dem Alleingang der Forster Linken wird bei den nächsten Wahlen, vermutet die Bürgermeisterin Taubenek, vor allem nur eine Partei profitieren: ihr größter Konkurrent, die AfD.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: