Anders als in Thüringen oder gar in Sachsen verläuft die Anbahnung einer Koalition in Brandenburg – das Bündnis zwischen SPD und BSW – geradezu geschmeidig. Und zwar derart, dass der erste prominente Sozialdemokrat schon vorsorglich seinen Rückzug aus der nächsten Landesregierung angekündigt hat. In einer Mitteilung seines Hauses erklärte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach am Donnerstag, „nicht weiter zur Verfügung“ zu stehen.
Der Schritt sei ihm nicht leichtgefallen, schreibt Steinbach weiter. Dies, zumal er die Entscheidung seiner Partei, mit dem BSW ein Regierungsbündnis eingehen zu wollen, „nachvollziehen“ könne. „Für mich persönlich sehe ich aber, unabhängig von einem möglichen Ergebnis der Koalitionsverhandlungen mit dem BSW, insbesondere wegen der von der Parteispitze vertretenen Positionen keine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.“
Der angekündigte Rückzug des Wirtschaftsministers ist für Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke ein herber Verlust. Steinbach ist seit 2018 Minister im Kabinett, er gilt als Vertrauter Woidkes. Sein größter Coup war die Ansiedlung von Teslas erster Autofertigung in Europa im brandenburgischen Grünheide. Steinbach hatte das Projekt federführend vorangetrieben und es zuletzt auch trotz seiner deutlichen Kritik an den politischen Positionen von Tesla-Chef Elon Musk immer verteidigt. „In meinem Alter bietet die geschilderte Situation keine Perspektive für eine weitere Amtszeit“, schließt Steinbach, 68, seine Abschiedserklärung.
Steinbachs angekündigte Demission ist der erste Rückschlag für die Verhandler von SPD und BSW. Bei der Landtagswahl am 22. September war die SPD knapp vor der AfD stärkste Partei geworden. Das BSW gewann damals 13,5 Prozent der Stimmen, die CDU kam auf 12,1 Prozent; Linke, Grüne und Freie Wähler schafften es nicht mehr in den Landtag. Nachdem die CDU Koalitionsgespräche abgelehnt hatte, trafen sich Vertreter von SPD und BSW schnell zu ersten Sondierungsgesprächen, die bereits nach einem knappen Monat abgeschlossen waren.
Woidke machte Wagenknecht seine Aufwartung. Seither lief alles glatt
Ein Grund dafür, dass dies alles nahezu geräuschlos geschah, findet sich im Sondierungspapier. Ministerpräsident Woidke war nicht nur direkt nach der Wahl zu Sahra Wagenknecht nach Berlin gefahren, die Verhandler hatten sich auch auf Formulierungen geeinigt, die den Forderungen der BSW-Chefin entsprechen. Darunter die klare Aussage im Sondierungspapier, dass der Krieg in der Ukraine nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden könne.
Brandenburgs CDU-Chef Jan Redmann sieht darin vor allem einen Kotau der SPD vor Sahra Wagenknecht. Die SPD habe „grundlegende Überzeugungen preisgegeben“, es gehe ihr „nur um ihre eigene Macht“. SPD-Generalsekretär David Kolesnyk erklärte hingegen, die Formulierung sei ein Kompromiss beider Parteien, der aber auf der Landesverfassung basiere. Darin sein festgeschrieben, dass sich die Landesregierung für Frieden und Verständigung einsetzen müsse.
Abseits davon hätten die Verhandlungen unter ganz anderen Vorzeichen als in Thüringen oder Sachsen begonnen, meint Robert Crumbach, Chef des BSW in Brandenburg. Während in den anderen Ländern drei Parteien an den Gesprächen beteiligt waren, säßen in Potsdam nur zwei potenzielle Partner am Tisch. Außerdem hätte ein Bündnis in Brandenburg anders als etwa in Thüringen eine eigene Mehrheit. Crumbach: „So ist klar, dass das, was hier verhandelt wird, auch umgesetzt werden kann.“
Der Fahrplan der Verhandler ist straff, Dietmar Woidke soll am 11. Dezember, also noch vor Weihnachten, wieder zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Das sei „sehr, sehr ehrgeizig“, meint Crumbach. Aber nach dem Stand der Gespräche jetzt gehe er davon aus, dass der Koalitionsvertrag in der kommenden Woche vorliegen werde. SPD und BSW wollen sich das Ergebnis dann in der Woche darauf jeweils von einem Parteitag bestätigen lassen.
Inhaltlich scheinen sich beide Landesverbände inzwischen weitgehend einig zu sein. Als strittige Punkte galten Anfang der Woche unter anderem noch das Handyverbot an Grundschulen, eine Forderung des BSW. Offen war außerdem die Zukunft des Verfassungsschutzes. Das BSW will dessen Befugnisse begrenzen und den gerade eingeführten Check für Beamte auf ihre Verfassungstreue wieder abschaffen.
Befürchtungen, BSW-Chefin Sahra Wagenknecht könnte das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen noch auf den letzten Metern torpedieren, teilt Crumbach nicht. Er stimme sich regelmäßig mit der Parteispitze in Berlin ab. „Wir müssen nicht koalieren. Aber Sie können auch davon ausgehen, dass wir verhandeln, um zu einem Ergebnis zu kommen.“