Landtagswahlen:Dann doch lieber die

Wahlplakat CDU Sachsen

Ein Wahlplakat der CDU in Dresden.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)
  • Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg könnte die AfD Ergebnisse über 20 Prozent einfahren.
  • Kurz vor der Wahl scheinen aber die schwächelnden Volksparteien CDU und SPD noch einmal mehr Wähler hinter sich zu versammeln.
  • Viele moderate Wähler könnten sie wählen, um die AfD zu schwächen - doch eine Zuspitzung mobilisiert auch die Gegenseite.

Von Jens Schneider, Berlin

Der Bahnhof einer Kleinstadt vor Potsdam, Dutzende Pendler streben zum Zug, ein SPD-Wahlkämpfer verschenkt Kaffee. "Es dreht sich", sagte er. Kurz vor der Landtagswahl in Brandenburg an diesem Sonntag höre er nun häufiger, dass Wähler sich doch für seine Partei entscheiden würden - auch wenn sie sonst andere Präferenzen haben, etwa für die Grünen. Der Grund sei die Angst vor einem Ergebnis, das es so noch nie gegeben hat: Die in Brandenburg besonders rechtslastige AfD könnte zum ersten Mal in einem Bundesland stärkste Fraktion werden. Es wäre eine Zäsur in der deutschen Geschichte.

Auch aus der SPD-Zentrale in Potsdam kommen nun Appelle, nur die Stimme für Ministerpräsident Dietmar Woidke könne das verhindern. Man glaubt an einen "last minute swing", wie er in der jüngsten Geschichte einigen Regierungschefs gelang. Hoffend erinnern sich Brandenburgs Sozialdemokraten an legendäre Aufholjagden. Wahlkämpfe seien heute anders, viele Wähler schauten erst in den letzten Wochen genau hin. Erst jetzt gehe es darum, wer am Ende das Land regiert.

SPD und CDU beschwören alte Erfolgsgeschichten

Die Sozialdemokraten weisen in diesen Tagen auf Erfolge von Kollegen hin, die schlechter dastanden als jetzt Woidke: Malu Dreyer, die in Rheinland-Pfalz 2016 eine verloren geglaubte Wahl drehte. Erwin Sellering, der im selben Jahr in Mecklenburg-Vorpommern in zwei Monaten acht Prozentpunkte aufholte.

Es ist ein Effekt, der auch in Dresden bei der CDU beschworen wird, mit eigenen Vorbildern, wie etwa dem Überraschungserfolg von Annegret Kramp-Karrenbauer im Saarland 2017. In Sachsen lag die AfD lange gleichauf mit der stärksten Regierungspartei, der CDU. Ihre Dominanz schien gebrochen zu sein, auch das wäre eine Zäsur.

Denn in Brandenburg und Sachsen dominiert seit der Wiedervereinigung die gleiche Partei. In Potsdam stellte die SPD in 29 Jahren drei Regierungschefs, erst Manfred Stolpe und Matthias Platzeck, seit August 2013 Woidke. In Dresden begründete Kurt Biedenkopf die Vormacht der CDU, es folgten Georg Milbradt und Stanislaw Tillich. Dessen Nachfolger Michael Kretschmer muss wie Woidke mit massiven Verlusten rechnen. Die AfD kann in beiden Ländern auf mehr als 20 Prozent hoffen. Aber die Verluste der großen Regierungsparteien könnten auch geringer ausfallen als zu Beginn des Sommers prognostiziert. Die SPD hole auf, titelten Potsdamer Zeitungen. Deutlich sind die Zeichen in Sachsen, wo die CDU mit 32 Prozent klar vor der AfD mit 24,5 liegt.

Brandenburgs AfD-Chef gibt sich gern moderat, ist aber besonders rechts

In Brandenburg ist bei der SPD jetzt oft von 2004 die Rede. Damals lag Matthias Platzeck scheinbar aussichtslos zurück, stellte sich aber auf den Marktplätzen den wegen der Hartz-Gesetze protestierenden Bürgern. Am Ende gewann er. Platzeck sagt nun, Woidkes Wahlkampf sei "der schwierigste in der Geschichte Brandenburgs". Zwar erlebt Woidke keinen Gegenwind, die SPD feiert harmonische Bürgerfeste. Aber sie weiß, im Land gibt es Wähler, die sich der AfD zugewendet haben, deren Spitzenmann Andreas Kalbitz sich zuweilen so moderat gibt, dass linke und grüne Gegner ihn bei Wahlforen am liebsten mit einem Warnhinweis versehen würden. Damit die Wähler wissen, wen sie vor sich haben: Der gebürtige Münchner ist als Freund von Björn Höcke der Strippenzieher des äußerst rechten "Flügels". Er hat als gut vernetztes Mitglied des Bundesvorstands mehr Einfluss in der AfD als Höcke. Man weiß, dass er sich früher in ganz rechten Kreisen tummelte.

Woidke setzt nun auf die Zuspitzung: entweder die oder die SPD. Er will die Polarisierung nutzen, die bundesweit gerade die politische Landschaft prägt - zwischen der AfD und ihren Gegnern, im Bund zum Vorteil der Grünen.

Eine Zuspitzung nützt oft beiden Polen

Einen Effekt sieht Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen tatsächlich in Sachsen, wo sich abzeichne, dass sich Gegner der AfD hinter der CDU als der stärksten Partei versammeln. Es geht zulasten ihres Juniorpartners, der SPD.

Auch in Brandenburg schwächeln die Kleineren, die SPD legte zu. Aber der Wahlforscher sieht darin keinen Trend. Die SPD liegt knapp vorn, ragt nicht heraus in der Phalanx der AfD-Gegner. Und eine Zuspitzung löst oft eine Gegenmobilisierung aus, dann nutzt sie beiden Polen. Die AfD ist in Sachsen auf Rekordkurs, über dem Spitzenwert von 24,3 Prozent, den sie 2016 in Sachsen-Anhalt erzielte. Der Anteil der Unentschlossenen ist mit 33 Prozent in Sachsen und 39 Prozent in Brandenburg nicht außergewöhnlich. Dort ist laut Forschungsgruppe unklar, ob die SPD oder die AfD stärkste Partei wird.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier appellierte am Freitag an Kandidaten und Wähler: Er wünsche sich Wahlen, "in denen wir als Land zusammenkommen". Leidenschaft und Streit um die Zukunft gehörten dazu, "aber eins sage ich ganz deutlich: Treibt unser Land nicht auseinander!"

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