Der Tag beginnt für Olaf Scholz mit einem guten Gefühl. Nach den letzten Informationen, die er bekommen hat, müsste es klappen. Nicht in Brandenburg, das hoffentlich auch, aber erst einmal in New York. Am Abend hat er mit UN-Generalsekretär António Guterres diniert, nun frühstückt der Bundeskanzler in der Indonesia-Lounge des UN-Hauptquartiers mit dem namibischen Präsidenten Nangolo Mbumba. Es sieht, da sind sich die beiden einig, nach einem Erfolg aus. Monatelang ist unter Führung Deutschlands und Namibias über einen „Zukunftspakt“ für die Welt verhandelt worden, nun soll er von einem Zukunftsgipfel beschlossen worden. Damit das gelingt, müssen alle 193 Mitgliedsstaaten zustimmen, was – sollte das störrische Russland nicht endgültig „Njet“ sagen – tatsächlich möglich zu sein scheint.
Kurz nach zehn Uhr Ortszeit, gut zwei Stunden vor Schließung der Wahllokale von Potsdam bis Prenzlau, tritt Scholz ans Rednerpult. Der Pakt wurde soeben per Akklamation angenommen. „In einer Zeit großer Spannungen und Unsicherheiten brauchen wir den Pakt für die Zukunft mehr denn je“, sagt Scholz. Wegen der jungen Menschen auf der ganzen Welt sei man zusammengekommen. Es gehe darum, „wie sie sich eine bessere Welt vorstellen, es geht um ihre Zukunft“.
Nun sind die Zukunft des Planeten und die Zukunft des deutschen Bundeskanzlers nicht ein und dasselbe, obwohl es aus der Perspektive von Olaf Scholz da natürlich eine gewisse Schnittmenge gibt. Die Landtagswahl in Brandenburg, immerhin der Wahlheimat von Scholz, ist vielfach zur Kanzlerschicksalswahl erklärt worden. Verbunden mit der Frage: Kann Scholz noch als Kanzlerkandidat in die nächste Bundestagswahl ziehen, wenn auch diese Wahl wieder mit einem Misserfolg endet? Was dann weitere Fragen nach sich zieht. Vor allem: Was ist ein Misserfolg? Dass der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke alles auf Sieg und den ersten Platz gesetzt hat, nötigt Scholz Respekt ab. Obwohl Woidke Scholz im Wahlkampf gemieden hat, als wäre die Ampel eine ansteckende Krankheit. Den Einsatz hat der Brandenburger jedenfalls gleich mit erhöht.
Der Kanzler bleibt außer Reichweite der Journalisten
Um 18 Uhr deutscher Zeit weilt Scholz in einem improvisierten Büro im 21. Stock der deutschen UN-Vertretung an der First Avenue. Hier erreichen ihn die ersten Prognosen und Hochrechnungen, und von hier aus schaltet er sich zur Präsidiumssitzung der SPD. Jetzt nicht in Berlin, nicht im Willy-Brandt-Haus zu sein, ist mit gewissen Vorzügen verbunden. Nach der Europawahl hatte Scholz die Frage, ob er etwas zum miserablen Abschneiden der SPD sagen wolle, mit „Nö“ beantwortet.
In New York ist es nun so eingerichtet, dass der Kanzler über viele Stunden außer Reichweite der mitreisenden Journalistinnen und Journalisten und somit lästiger Fragen bleibt. Zunächst gibt er ein Mittagessen für die Staats- und Regierungschefs kleiner Inselstaaten, danach ist er verabredet mit den Präsidenten von Mauretanien und dann Senegals. Erst am kommenden Vormittag will Scholz vor deutsche Kameras treten. Dann muss er etwas sagen. So oder so.