Süddeutsche Zeitung

Brandenburg:Die Virus-Teststrecke in der Provinz

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Berliner bestürmen den Corona-Drive-in in Neuruppin - werden aber weggeschickt.

Von Boris Herrmann, Neuruppin

"Aha, da vorne steht ja schon das erste Marsmännchen", sagt die Frau von der Krankenhausverwaltung. Sie deutet hinüber zur Einfahrt der Klinik. Dort, auf der anderen Seite des Parks, ist ein mintgrünes Wesen zu erkennen, das den Verkehr regelt. Jeder Autofahrer, der auf das Gelände will, muss hier eine Überweisung des Hausarztes vorlegen. Erst dann darf er dem provisorisch aufgestellten Einbahnstraßenpfeil folgen, und dem Hinweis "Drive in Coronatest".

Die Natur schert sich nicht um Viruskrisen. Sie macht einfach weiter, auch wenn sonst fast alles stillsteht. Das ist zunächst einmal ein tröstlicher Gedanke, der einem beim Spaziergang durch diesen Krankenhauspark beschleicht. Hier, im brandenburgischen Neuruppin, beginnt gerade der Frühling. Die Mandelbäume blühen in kitschigem Rosa, die ahnungslosen Vögel singen, als ob alles voll okay wäre.

Das Marsmännchen stellt sich bei näherer Betrachtung, also aus dem gebotenen Abstand von anderthalb Metern, als Marsfrau heraus. Susanne Rost kommt natürlich nicht von einem fremden Planeten, sondern von der Ostprignitz-Ruppiner Gesundheitsdienste GmbH. Aber wie sie da so steht in ihrem grünen Ganzkörperschutzanzug, inmitten dieser Parkidylle, könnte sie auch das Werbeplakat eines Science-Fiction-Horrorfilms zieren.

Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin gehört noch nicht zu den Hotspots der Pandemie. Aber sie machen sich hier wenig Illusionen, Berlin ist nicht weit weg. Dort stehen sie vor den Testzentren stundenlang in der Schlange. Viele Berliner fragen sich, weshalb es in der Hauptstadt nicht diese praktischen Drive-ins gibt wie etwa in München oder nun auch in Neuruppin. Rost sagt: Wir haben viele Anfragen von Berlinern, aber wir müssen alle wegschicken, die nicht bei uns im Landkreis wohnen.

Mit dem Beschluss, alle Coronatests im Landkreis zentral durchzuführen, hier im Vorgarten der Ruppiner Kliniken, schütze man einerseits die Hausärzte davor, sich bei ihren Patienten anzustecken. Andererseits sei das eine Materialfrage: "Ich stehe hier heute Morgen mit einer Montur, um 35 angemeldete Testpersonen im Fünf-Minuten-Takt zu empfangen", sagt Rost. "Wenn die alle einzeln ihren Hausarzt aufgesucht hätten, wäre das zu einer Materialschlacht ausgeartet." An einem Vormittag spart der Landkreis nach dieser Rechnung also 34 Schutzmonturen.

Das nächste Auto. Ein Mann, Mitte dreißig, lässt die Scheibe herab. Susanne Rost sagt: "Bitte einmal im Kreis fahren. In spätestens 48 Stunden haben Sie Ihr Ergebnis." Hm, sagt der Mann, er habe gehofft, es gehe schneller. Dann fährt er los, eine Runde durch diese bezaubernde Parkanlage, die sie zu einer Drive-in-Teststrecke umfunktioniert haben.

Vor so etwas wie einem durchfahrbaren Bierzelt warten weitere Marsmännchen, darunter Wolfram Blank, Allgemeinmediziner. Die Menschen, die hier "bitte im Schritttempo einfahren" sollen, nennt Blank nicht die Kunden oder die Patienten, sondern "die verdächtigen Versicherten". Bitte Motor abstellen! Gesundheitskarte herausreichen! Blank beklebt nun ein Röhrchen mit dem Labor-Code und entnimmt einen "Abstrich aus dem Mund-Rachenraum". Das war's. Bleiben Sie gesund, gute Fahrt, der Nächste bitte!

48 Stunden, dem Mann, der hier wegfährt, kommt das lange vor. Aber in Berlin wären sie zum Teil froh, wenn sie ihre Resultate nach fünf Tagen bekämen. Warum es dort keine Drive-in-Tests gibt? Der Berliner, heißt es von Behördenseite, sei nicht so der Autofahrer.

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SZ vom 24.03.2020
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