Süddeutsche Zeitung

Papua-Neuguinea:Die Kosten der Freiheit

  • Die Bevölkerung von Bougainville spricht sich in einem Referendum für die Loslösung von Papua-Neuguinea aus.
  • Hintergrund ist ein langer Konflikt um die Bodenschätze der Insel.
  • Die Unabhängigkeit kann sich Bougainville aber eigentlich nicht leisten. Die Provinz ist bettelarm.

Von Jan Bielicki

Es sind zwei Inseln und einige Inselchen im Südpazifik, 1000 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Port Moresby, ganz im Osten von Papua-Neuguinea. Knapp 300 000 Menschen leben auf Bougainville und dem kleineren Nachbarn Buka, sie sprechen 30 verschiedene Sprachen, aber in einem Punkt sind sich fast alle von ihnen einig: Wenn es nach dem Willen einer überwältigenden Mehrheit der Bewohner des Archipels geht, der bis 1914 Teil der Kolonie Deutsch-Neuguinea war, dann könnten sie bald einen unabhängigen Staat bilden. Fast 98 Prozent der Wähler haben sich in einem Referendum für eine Loslösung ihrer bisher autonomen Inselregion von Papua-Neuguinea ausgesprochen. Als am Mittwoch im Hauptort Buka das Ergebnis verkündet wurde, brach lauter Jubel aus.

Doch wann und ob auf Bougainville wirklich ein unabhängiger Staat entstehen wird, ist noch völlig offen. Denn das Referendum ist zwar offizieller Teil eines sich seit zwei Jahrzehnten hinziehenden Friedensprozesses, es gilt aber als nicht bindend. Das letzte Wort behält sich die Zentralregierung im fernen Port Moresby vor.

Dass Bougainvilles Bewohner weg wollen von Papua-Neuguinea, hat seinen Grund in einem langen, mörderischen Konflikt um die Bodenschätze der Inselgruppe. Als Australien Papua-Neuguinea 1975 in die Unabhängigkeit entließ, betrieb der Bergwerkskonzern Rio Tinto auf Bougainville eine der damals größten Kupfer- und Goldminen der Welt. Etwa 45 Prozent seiner Exporterlöse schürfte Papua-Neuguinea aus dem Tagebau Panguna.

Auf der Insel und bei den Volksgruppen, denen das Land traditionell gehörte, kam wenig davon an. Es regte sich Widerstand. Strommasten wurden gesprengt, Minenarbeiter ermordet. 1988 schickte die Zentralregierung das Militär, dessen brutales Vorgehen die Bevölkerung erst recht aufbrachte. Bis zu 20 000 Insulaner fielen dem Bürgerkrieg zum Opfer, die meisten von ihnen, weil die Zentralregierung eine Blockade verhängte und keine Lebensmittel und Medikamente mehr auf die Inseln ließ. Die Panguna-Mine stellte 1989 wegen der Kämpfe den Betrieb ein.

China lockt mit Milliarden

Erst 1997 beendete ein Waffenstillstand den Bürgerkrieg, 2001 gewährte ein Friedensabkommen den Inseln Autonomie. Die lukrative Mine blieb jedoch bis heute geschlossen und steht unter Kontrolle lokaler Milizen, mit denen die Autonomiebehörde ein prekäres Verhältnis pflegt. Ohne die Erlöse aus dem Bergwerk allerdings ist Bougainville bettelarm, nur sechs Prozent ihres Haushalts konnte die Inselregierung zuletzt aus eigenen Steuereinnahmen decken.

Die Unabhängigkeit kann Bougainville sich eigentlich nicht leisten. Jedenfalls nicht ohne ausländische Investoren - weshalb der lange schon absehbare Ausgang des Unabhängigkeitsvotums sogar Australien alarmiert. Denn schon lockt China mit Milliarden, um seinen Einfluss im Südpazifik auszubauen.

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SZ vom 12.12.2019/saul/cat
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