Hessen:Wechsel in Wiesbaden

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Verfassungsorgane auf Tuchfühlung: Die neue Wiesbadener Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU) umarmt den neuen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU). (Foto: Thilo Schmülgen/Reuters)

Nach zwölf Jahren Volker Bouffier hat der hessische Landtag Boris Rhein zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Und für den beginnt die Arbeit sofort.

Von Gianna Niewel, Wiesbaden

Im hessischen Landtag steht ein Abgeordneter und übt: "Ministerpräsident Boris Rhein", er hört den eigenen Worten nach, "klingt noch seltsam." Er wird sich daran gewöhnen müssen.

Am Dienstag wählte der Landtag in Wiesbaden Boris Rhein zum neuen Ministerpräsidenten, er folgt auf Volker Bouffier, der zwölf Jahre lang in der Staatskanzlei saß. Boris Rhein ist 50 Jahre alt, in Frankfurt geboren, dort hat er Jura studiert und als Rechtsanwalt gearbeitet, dort hat er angefangen, in der Partei Karriere zu machen. Und natürlich erzählen sie in der CDU seine Geschichte an diesem Tag als Erfolg: Ist er nicht viel gemäßigter als früher, in seiner Zeit als Innenminister? Ist er nicht gleich im ersten Wahlgang gewählt worden, mit fünf Stimmen aus der Opposition?

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Da ist vergessen, dass Boris Rhein 2012 in der Stichwahl um das Amt des Frankfurter Oberbürgermeisters gegen Peter Feldmann verlor. Vergessen, dass Volker Bouffier ihn 2018 nach der Landtagswahl nicht mehr zum Minister ernannte, Rhein wurde Landtagspräsident. Vergessen auch, dass Bouffier ganz andere Namen auf dem Zettel hatte, als er seine Nachfolge regeln wollte. Manchen fehlte die Unterstützung in der Fraktion, andere wären für die Grünen kaum wählbar gewesen. Am Ende, so heißt es, blieb nur Boris Rhein.

Für den neuen Ministerpräsidenten beginnt die Arbeit sofort. Im Oktober 2023 wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt, bis dahin muss der Mann sich bekannt machen zwischen Hünfeld und Herborn. Und noch etwas kommt hinzu: In Hessen regieren CDU und Grüne seit 2013 gemeinsam, es war die erste solche Koalition auf Landesebene, die erste, die dann auch wiedergewählt wurde. Aber sie geriet auch an ihre Grenzen, etwa als es darum ging, den Frankfurter Flughafen um ein Terminal 3 zu erweitern. Oder als die A49 ausgebaut werden sollte und dafür Teile des Dannenröder Forstes gerodet werden mussten. Hält dieses Bündnis auch ohne Bouffier? Die Grünen wollen 2023 am liebsten selbst in die Staatskanzlei einziehen, sie werden sich abgrenzen müssen von der CDU und dem neuen Ministerpräsidenten.

"In unübersichtlichen Zeiten" setzt der Neue auf Arbeit, Sicherheit, Heimat

Der sagte in seiner ersten Rede, er trete das Amt in "unübersichtlichen Zeiten" an, viele Menschen fürchteten um ihre Werte, ihren Wohlstand, gerade deshalb wolle er Ministerpräsident für alle Hessinnen und Hessen sein. Seine Schlagworte: Arbeit, Sicherheit, Heimat.

Boris Rheins erste Regierungserklärung ist für den 7. Juni geplant, dann wird er ausführen, was genau er damit meint, und vielleicht wird dann auch klar, wie er sich von seinem Vorgänger unterscheiden will. Rhein hatte immer wieder angekündigt, seine Partei "jünger, bunter und weiblicher" zu machen, aber seine erste Kabinettsumbildung passt nicht so recht dazu. Roman Poseck, der Präsident des Staatsgerichtshofes, ist neuer Justizminister. Er ersetzt eine Frau.

Während für Boris Rhein an diesem Tag ein neuer Abschnitt beginnt, endet für seinen Vorgänger ein politisches Leben. Als Volker Bouffier zu Beginn der Sitzung ans Rednerpult trat, sagte er, er habe in der Presse gelesen, er werde einen Rückblick geben, "aber das möchte ich Ihnen und mir ersparen". Dabei gebe es Einiges, auf das er zurückblicken könne. 1982 wurde er zum ersten Mal in den Landtag gewählt, 1999 wurde er Innenminister, sie nannten ihn "Schwarzen Sheriff", weil er so konservativ war, weil er sich unter anderem für die Rasterfahndung einsetzte. 2010 wurde er Ministerpräsident, seither sicherte er der CDU Mehrheiten.

Der hessische Landtag, sagte Bouffier in seiner letzten Rede, gelte als das härteste Landesparlament, und er sei nicht unbeteiligt daran gewesen. Er habe aber immer versucht, zwischen den Personen und der Sache zu unterscheiden.

Ausgerechnet Volker Bouffier, der seine Redezeit im Landtag auch mal um eine halbe Stunde überzieht, brauchte für seinen Abschied nur sechs Minuten. Dann schob er die Blätter zusammen, ging zu seinem Platz, die Abgeordneten klatschten. Und vermutlich müssen einige auch das noch üben: Volker Bouffier, Ministerpräsident a.D.

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