Presseschau zu Boris Johnson:"Time to go", "Game over"

Großbritannien: Ein Polizist spielt vor Downing Street 10 mit einer Katze

Nur ein Spiel mit Larry the Cat?

(Foto: Frank Augstein/AP)

Es wird einsam um Boris Johnson. Selbst die konservative, Tory-nahe britische Presse fordert den Premier unverhohlen zum Rücktritt auf. Ein Überblick über die internationalen Pressestimmen.

Bei den Tories herrsche "offener Krieg", kommentiert der Sender Sky News und die BBC schnuppert den "Geruch des Todes" in Westminster. Doch Boris Johnson hat schon viele Skandale politisch überlebt. Diesmal aber wackelt sogar die Unterstützung im eigenen Lager. Nicht nur in seiner Konservativen Partei, sondern auch bei eigentlich der Regierung nahestehenden Medien. Selbst konservative britische Zeitungen sehen den Premier am Abgrund. "Game over", das Spiel sei aus, heißt es etwa bei der Times.

Times: Vertrauen verloren

Die konservative The Times fordert in ihrem Leitartikel Johnson zum Rücktritt auf: "Trotz der Rücktritte von Finanzminister Rishi Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid klammert sich Boris Johnson weiterhin an sein Amt in der Downing Street. Das ist ein Fehler. Er hat das Vertrauen seiner Partei und des Landes verloren. Es gibt keine realistische Chance, dass Johnson, dem bei einer Vertrauensabstimmung im vergangenen Monat 148 Abgeordnete die Unterstützung versagten, seine Autorität zurückgewinnen kann, um die effektive Führung zu übernehmen, die das Land in einer Zeit der akuten nationalen Krise braucht. Jeder Tag, den er im Amt bleibt, verstärkt das Gefühl von Chaos. Im Interesse des Landes sollte er gehen."

The Telegraph: Im Herzen verwundet

Auch der den Tories nahestehende The Telegraph meint, es sei Zeit zu gehen: "Plötzlich wird das Ausmaß der Krise, die die Regierung von Boris Johnson belastet, in überwältigender Weise deutlich. Der gemeinsame Rücktritt von Finanzminister Rishi Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid hat ein Loch in das Herz des Kabinetts gerissen, das unmöglich zu reparieren sein wird, selbst wenn der Premierminister es versuchen sollte. Angesichts der Vorwürfe (...) kann er die Kritik nicht länger als oppositionelles Gejammer oder die Ansichten bekannter Gegner abtun. Javid sagte, das Land brauche eine "starke und prinzipientreue konservative Partei, und die Partei ist größer als eine Einzelperson". Sunak sagte, das Land erwarte, dass die Regierung "kompetent und seriös" geführt werde. Tugenden, die seiner Meinung nach fehlen. Das sind ernsthafte Anschuldigungen von ernsthaften Leuten. Dies ist eine existenzielle Krise nicht nur für Johnson, sondern für die Regierung und die Konservativen. Zum Wohl der Partei und des Landes muss sie überwunden werden."

The Guardian: Johnsons Zeit ist abgelaufen

Der liberale Guardian urteilt: "Die anscheinend koordinierten Rücktritte von Schatzkanzlers Rishi Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid sind sicherlich ein Zeichen dafür, dass Boris Johnson als Premierminister vor dem Aus steht. Es war bereits klar, dass eine Reihe von Skandalen - vor allem die durch 'Partygate' demonstrierte Verachtung des Premierministers für die Öffentlichkeit - Johnsons Ansehen irreparablen Schaden zugefügt haben. Großbritannien hat etwas Besseres verdient als einen Premierminister, der zur Lachnummer geworden ist und in einer Zeit der Wirtschaftskrise einer steuerlosen Regierung vorsteht. Im Interesse der Wahrung ihrer Selbstachtung müssen die anderen Mitglieder von Johnsons Kabinett dem Beispiel von Sunak und Javid folgen. Der Premierminister muss mit der Wahrheit konfrontiert werden: Seine Zeit ist abgelaufen."

La Stampa: Der Anfang vom Ende

Auch die italienische Zeitung La Stampa aus Turin kommentiert: "Jetzt riskiert es Boris Johnson wirklich: Der britische Premierminister ist zunehmend allein, überwältigt von einem weiteren Skandal mit Sex-Hintergrund eines sehr loyalen konservativen Abgeordneten, und wurde nun von zwei sehr mächtigen Ministern verlassen, die am Abend mit unbarmherzigen Worten zurückgetreten sind. Mit in einer in Trümmern liegenden Regierung und dem Risiko, dass eine Kettenreaktion andere Mitglieder der Exekutive zur Kündigung bewegt, könnte dies drei Jahre nach seinem Einzug in die Downing Street der Anfang vom Ende für Johnson sein. Neben Sajid Javid, der im Gesundheitsministerium den zweiten Teil der Corona-Krise managte, ging auch Rishi Sunak, der als Finanzminister die Schlüsselrolle in der Wirtschaftspolitik innehatte. Beide sind potenzielle Gegner um den Titel als Vorsitzender der Konservativen Partei."

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