Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Bericht: Party in Downing Street auch vor Beisetzung von Prinz Philip

Mitarbeiter des Premierministers sollen auch im April 2021 in dessen Amtssitz gefeiert und dabei die Corona-Regeln missachtet haben. Der Bericht dürfte den Druck auf Johnson weiter erhöhen. Downing Street entschuldigt sich nun.

Ein neuer Bericht über eine Party im Amtssitz des Premierministers erhöht den Druck auf Boris Johnson. Die Zeitung Daily Telegraph berichtet über eine weitere Party, die am Vorabend der Beisetzung von Prinz Philip, dem Mann von Königin Elizabeth II., stattgefunden haben soll. Es ist die erste Lockdown-Party im Regierungssitz aus dem Jahr 2021, die bekannt wird. Bisher waren mehrere Feiern im Mai und Dezember 2020 publik geworden. Premierminister Boris Johnson steht wegen dieser mutmaßlichen Lockdown-Partys in seinem Amtssitz bereits massiv in der Kritik.

Der Daily Telegraph berichtet, dass insgesamt etwa 30 Mitarbeiter von Johnson an der Party im April teilgenommen haben sollen. Es sei Alkohol getrunken und getanzt worden. Mitte April 2021 galten allerdings strikte Abstandsregeln, Mitglieder verschiedener Haushalte durften sich nicht in geschlossenen Räumen treffen. Auch wenn Johnson selbst nicht an der Party am 16. April 2021 teilnahm und auch nicht in der Downing Street anwesend war, wird er für das Verhalten seiner Mitarbeiter verantwortlich gemacht.

Die besondere Brisanz des Berichtes ergibt sich aus dem Zeitpunkt der Party. Sie soll am 16. April stattgefunden haben, also einen Tag vor der Beisetzung von Prinz Philip. Die Queen musste wegen der geltenden Corona-Vorschriften während der Trauerfeier ganz alleine in der Kapelle ihrer Residenz Windsor sitzen, als dort ihr Ehemann, mit dem sie mehr als 73 Jahre verheiratet war, bestattet wurde. Das Foto der einsamen Queen war einer der prägenden Eindrücke der Pandemie und berührte die Herzen von Millionen Briten.

Mittlerweile hat sich der Amtssitz des britischen Premierministers beim Buckingham-Palast für die Lockdown-Partys am Vorabend der Beisetzung von Prinz Philip entschuldigt. "Es ist zutiefst bedauerlich, dass dies zur Zeit nationaler Trauer stattgefunden hat", sagte Johnsons Sprecher am Freitag. Johnson habe diese Woche bereits betont, dass das Verhalten im Regierungssitz den höchsten Standards entsprechen müsse. Die Downing Street übernehme auch die Verantwortung, "für Dinge, die wir nicht richtig gemacht haben".

Selbst Abgeordnete seiner eigenen Partei fordern mittlerweile Johnsons Rücktritt

Umso größer ist nun die Empörung. "Während sie trauerte, feierte No. 10", sagte der Chef der Liberaldemokraten, Ed Davey. "Ich habe keine Worte für die Kultur und das Verhalten in No. 10", sagte die Vizechefin der größten Oppositionspartei Labour, Angela Rayner. Der Fisch stinke vom Kopf.

Johnson hatte sich am Mittwoch im Parlament für den Eindruck entschuldigt, dass diejenigen, die die Corona-Regeln machen, sich nicht daran halten. Er räumte ein, dass er bei der Feier am 20. Mai 2020 für 25 Minuten im Garten anwesend war. Seinem Eindruck zufolge habe es sich um ein Arbeitstreffen gehandelt. Rückblickend habe er damit falsch gelegen, sagte Johnson. Er forderte aber, das Ergebnis einer laufenden internen Untersuchung abzuwarten, bevor Konsequenzen gezogen werden.

Die Opposition fordert bereits jetzt seinen Rücktritt. Auch einige Abgeordnete von Johnsons Konservativer Partei haben den Premier zum Rückzug aufgefordert. Wegen der zeitlichen Nähe zur Beisetzung des im Volk äußerst beliebten Herzogs von Edinburgh gelten die nun bekannt gewordenen Feiern als besonders gefährlich für Johnson. Downing Street dementierte die Partys nicht, wie auch die BBC berichtete.

Kommentatoren werteten den Artikel im Telegraph, der eigentlich als Hausblatt Johnsons gilt und für den der 57-Jährige früher selbst tätig war, als Teil des Machtkampfs um die Zukunft des Premiers. Johnson versucht seit Tagen mit aller Macht, Unterstützer um sich zu scharen. Sprechen sich 15 Prozent der 360 konservativen Abgeordneten gegen den Premier aus, kommt es in der Fraktion zur Misstrauensabstimmung.

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