Süddeutsche Zeitung

Bootsflüchtlinge:Zurück nach Afrika

Das Bundesinnenministerium will Abkommen zur Rückführung von Flüchtlingen auch mit Ländern wie Ägypten oder Tunesien abschließen. Flüchtlinge sollen so nach Nordafrika zurückgeschickt werden können. Pro Asyl kritisiert die Pläne.

Das Bundesinnenministerium sucht weiter nach Möglichkeiten, wie im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge wieder nach Nordafrika zurückgeschickt werden können. Das Ministerium bekräftigte Vorschläge von Ressortchef Thomas de Maizière, der sich seit Monaten dafür einsetzt, nach dem Vorbild des Flüchtlings-Deals mit der Türkei auch mit nordafrikanischen Staaten wie Ägypten oder Tunesien Abkommen zur Rückführung von Bootsflüchtlingen zu schließen. Sie sollen es erlauben, über das Meer etwa nach Italien geflohene Menschen in die Transitländer zurückzuschaffen und dort in Aufnahmelagern unterzubringen. Damit sei aber nicht gemeint, in den Gewässern vor Nordafrika aus Seenot gerettete Menschen noch auf hoher See direkt wieder in nordafrikanische Häfen zurückzufahren, präzisierte ein Sprecher des Ministeriums auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung den Vorschlag. De Maizière hatte mehrfach gefordert, dass Mittelmeer-Flüchtlinge "zurückgeführt werden an sichere Unterbringungsmöglichkeiten in Nordafrika". Mit "großzügigen" EU-Aufnahmekontingenten könnten nach einer Prüfung Schutzbedürftige von dort nach Europa kommen: "Die anderen müssen dann zurück in ihre Heimat." Konkrete Pläne oder Gespräche dazu gibt es dem Ministerium zufolge aber nicht.

Pro Asyl sieht in den Überlegungen den Versuch, "das individuelle Recht auf Asyl flächendeckend auszuhebeln", sagte der Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation, Günter Burkhardt. Die Opposition übte scharfe Kritik. Das Ministerium behandele Geflüchtete wie eine ansteckende Krankheit, die man sich "vom Hals halten will", sagte die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Welt am Sonntag. Linken-Chef Bernd Riexinger sprach von einem "weiteren Schritt zur Abschaffung des Asylrechts". Auch führende Kirchenvertreter verurteilten den Umgang mit geflohenen Menschen. Papst Franziskus bezeichnete die Lage der Flüchtlinge als "Schande". Wer in die Augen eines Kindes in einem Flüchtlingslager schaue, erkenne auf Anhieb den "Bankrott der Menschheit". Der Kölner Kardinal Rainer Woelki beklagte, dass in diesem Jahr bereits 4000 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken seien. "Sollten wir das Mittelmeer nicht konsequenterweise zukünftig ,Totes Meer' nennen?", fragte der Erzbischof im Kölner Domradio und verlangte die Einrichtung sicherer Fluchtwege.

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SZ vom 07.11.2016 / SZ, AFP, KNA
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