Bootsflüchtlinge:Die Wogen schlagen hoch zwischen Paris und Rom

Bootsflüchtlinge: Endlich Aussicht auf einen sicheren Hafen: Das Rettungsschiff "Ocean Viking" fährt am Freitag in Toulon ein.

Endlich Aussicht auf einen sicheren Hafen: Das Rettungsschiff "Ocean Viking" fährt am Freitag in Toulon ein.

(Foto: Daniel Cole/dpa)

Frankreichs Regierung attackiert Italiens Rechtsbündnis wegen ihres Umgangs mit Migranten von Rettungsschiffen. Warum das wiederum Premierministerin Giorgia Meloni empört.

Von Andrea Bachstein

Mit 230 Migranten an Bord hat das Seenotrettungsschiff Ocean Viking am Freitagmorgen im Hafen von Toulon in Südfrankreich festgemacht. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin hatte dafür am Donnerstag die Erlaubnis gegeben, nachdem Italiens Rechtsregierung das Schiff der NGO SOS Mediterranée nicht landen ließ. Deshalb herrscht nun ein offener Schlagabtausch zwischen Paris und Rom, der sich auf EU-Ebene ausdehnen dürfte.

Laurence Boone, die französische Europastaatssekretärin, sagte am Freitag, Italien habe gegenüber ganz Europa einen Vertrauensbruch begangen. Es habe sich nicht an die Regeln gehalten und mit einseitigen Entscheidungen Menschenleben gefährdet. "Man kann die Frage stellen, ob Menschenleben instrumentalisiert werden", so Boone. Es wäre nicht haltbar, wenn mit jeder Regierung europäische Regeln geändert werden müssten.

Am Vortag hatte Darmanin bereits Roms Vorgehen inakzeptabel genannt und der Regierung den Bruch bilateraler und internationaler Abkommen vorgeworfen. Paris setzte eine Vereinbarung zur Übernahme von 3500 Migranten von Italien aus und kündigte an, die Grenzen zum Nachbarland stärker zu sichern.

Meloni behauptet, Europa sei unsolidarisch

Ein Teil der Migranten der Ocean Viking war mehr als zwei Wochen auf dem Schiff, ebenso lang hatte Italiens Regierung zwei weitere NGO-Schiffe mit Hunderten Geretteten auf eine Anlegeerlaubnis warten lassen. Zudem wandte sie ein neues Dekret an, um zu verhindern, dass alle Migranten von Bord gehen.

Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni reagierte am Freitag empört auf die Vorwürfe aus Paris: "Mich hat die aggressive Reaktion der französischen Regierung getroffen, die meiner Meinung nach unverständlich und ungerechtfertigt war", sagte sie. Sie könne die Aufregung wegen 230 Migranten nicht verstehen. Italien werde von Europa unsolidarisch behandelt, behauptete Meloni. Die einzige gemeinsame Lösung sei es, die EU-Außengrenzen zu verteidigen, die Abfahrt der Flüchtlingsboote in Nordafrika zu verhindern und dort sogenannte Hotspots zu eröffnen. Darüber habe sie auch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Deutschland und der EU gesprochen.

Die Vorsitzende der postfaschistischen Fratelli d'Italia verfolgt wie ihr Koalitionspartner Lega eine migrantenfeindliche Politik, besonderer Dorn im Auge sind ihr und einigen Ministern die nichtstaatlichen Seenotretter. Sie stellen diese als Hauptverantwortliche dar für die Ankunft von in diesem Jahr etwa 90 000 Bootsflüchtlingen. Tatsächlich gelangen 16 Prozent davon mit NGO-Schiffen nach Italien. Meloni kündigte an: "Es wird sicher neue Maßnahmen geben."

Während sie die Aufregung der Pariser Regierung wegen 230 Migranten nicht versteht, empörte sich in Frankreich umso mehr die gleichgesinnte Rechtspopulistin Marine Le Pen. Sie attackierte Präsident Macron: Dass er erstmals akzeptiert habe, dass ein Schiff Migranten nach Frankreich bringt, sei "dramatisches Signal einer laxen Haltung". Keiner glaube ihm mehr, dass er die "massive und anarchische Einwanderung" beenden wolle.

Zur Verteilung der 230 Geretteten der Ocean Viking teilte Macrons Innenminister Darmanin mit, Frankreich und Deutschland nähmen je ein Drittel auf; Kroatien, Bulgarien, Litauen, Luxemburg und Norwegen hätte angeboten, weitere aufzunehmen.

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