Süddeutsche Zeitung

Bootsdeal mit Saudi-Arabien:Paradebeispiel für die deutsche Doppelmoral

Wir verkaufen keine Waffen in Konfliktgebiete, verspricht die Bundesregierung - um dann Saudi-Arabien Patrouillenboote zu liefern. So verspielt sie ihre moralische Glaubwürdigkeit.

Kommentar von Joachim Käppner

Manchmal, vor Gericht, klärt sich, wie ein Täter an die Schusswaffe gekommen ist, mit der er die Bank beraubt oder einen Menschen getötet hat. Die Kripo findet den Verkäufer, der dann heilige Eide schwört, er hätte niemals ahnen können, dass der Täter die Pistole zu etwas Unrechtem einsetzen würde.

So ähnlich muten die Beteuerungen der Bundesregierung an, man vertraue Saudi-Arabien; das Königreich habe versprochen, die acht demnächst zu liefernden Patrouillenboote nicht im Jemenkrieg einzusetzen. Wie glaubwürdig solche Versicherungen wohl sind in einem mörderischen Konflikt, in dem die saudischen Streitkräfte und ihre Verbündeten das Land, in dem Gewalt und Hunger herrschen, per See blockieren?

In der Theorie gebärden sich die Deutschen gern als Moralos des Rüstungsgeschäftes: Die Richtlinien sind vergleichsweise streng, die Öffentlichkeit ist kritisch, jede neue Regierung bekundet daher guten Willen und verheißt mehr Transparenz. Praktisch aber steht die Bundesrepublik weltweit noch immer auf Platz vier der Waffenexporteure und wickelt Geschäfte ab, welche ebendiesen Richtlinien Hohn sprechen. Der Bootsdeal ist dafür ein Paradebeispiel.

Für bereits vereinbarte Geschäfte gilt ein "Bestandsschutz"

Gerade erst wurde der Koalitionsvertrag sogar von Amnesty International gelobt, weil SPD und Union darin beschlossen haben, keine Waffen an Staaten zu verkaufen, die am Jemenkrieg beteiligt sind. Fast am selben Tag verkündete die Bundesregierung, dass für bereits vereinbarte Geschäfte ein "Bestandsschutz" gelte und die neue schwarz-rote Koalition gar nichts dafür könne, was die alte schwarz-rote Koalition erlaubt habe.

In der Psychologie würde man von einem schweren Fall gespaltener Persönlichkeit sprechen. Denn seit vielen Jahren beschwören deutsche Regierungen die strengen Vorgaben für deutsche Waffenexporte außerhalb der Nato, um zugleich dagegen zu verstoßen, aus Sorge um Arbeitsplätze, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, den Einfluss auf die Empfängerländer.

Die Richtlinien aber verlangen die Beachtung der Menschenrechte durch den Käuferstaat als Kriterium von "besonderem Gewicht". Zudem sollen deutsche Waffen nicht in Länder verkauft werden, "die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind". Was sonst geschieht in Jemen? Eben sagte die Menschenrechtlerin Radhya al-Mutawakel über die Lage dort: "Hinter jeder Haustür gibt es eine traurige Geschichte."

Boote nach Jemen, Panzer in die Türkei

Andere Staaten wie Frankreich, Russland und die USA sind zwar noch viel hemmungslosere Exporteure des Todes; dort hält man die deutschen Versuche, Waffengeschäfte an ethische Prinzipien zu binden, für lachhaft. Andererseits: Wer moralische Postulate verkündet und sie doch wieder und wieder bricht, darf auch nicht verlangen, ernst genommen zu werden.

Die neue Bundesregierung hat ein noch viel drastischeres Problem als die Schiffe für Jemen: Der Nato-Partner Türkei stößt mit deutschen Leopard 2 tief nach Syrien vor. Ob man dies beim Verkauf der deutschen Hightech-Panzer vertraglich hätte unterbinden können, beschäftigt die Experten. Sicher ist: Wenn selbst Geschäfte innerhalb der Nato, die bis eben als unproblematisch galten, einen langen moralischen Schatten werfen - dann ist es Zeit, endlich umzudenken.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3918434
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.03.2018/lkr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.