Bombenfunde in Luftfracht:Keine Bücher mehr an Bord?

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Politiker zeigen sich überrascht von der angeblich neuen Bedrohung durch Bomben in der Luftfracht - und wollen dadurch ihr eigenes Versagen kaschieren.

Paul-Anton Krüger

Nachdem die zwei Paketbomben aus dem Jemen entdeckt worden sind, hat Großbritannien verboten, Tonerkartuschen in Flugzeugen mitzunehmen. Die Bundesregierung sperrte den Luftraum für alle Flüge aus dem arabischen Land. Beides erscheint als Sofortmaßnahme folgerichtig, hatten die Bombenbauer - mutmaßlich al-Qaida - den Sprengstoff doch in Patronen zweier Laserdrucker versteckt und unbemerkt als Luftfracht aufgeben können.

Mitarbeiter von UPS verladen auf dem Flughafen Köln-Bonn im Cargo Center Luftfracht. (Foto: dpa)

Nach dieser Logik aber müssten auch sämtliche Flüge aus Griechenland gestoppt werden und Bücher komplett von Bord verbannt werden. Denn der Sprengsatz, der am Dienstag im Kanzleramt entschärft wurde, kam als Buch getarnt per Luftpost aus Athen.

Der Vergleich hinkt ein wenig, er zeigt aber einmal mehr, wie punktuell und beliebig die Regierungen in Deutschland und Europa regelmäßig auf versuchte Anschläge reagieren. 2006 wurden Flüssigkeiten im Handgepäck verboten, nachdem ein Plot aufgeflogen war, Flüssigsprengstoff auf Transatlantik-Flüge zu schmuggeln. Bis heute gelten strenge Beschränkungen. Zugleich aber dürfen sich Passagiere nach der Sicherheitskontrolle Getränke kaufen, deren horrende Preise sich leider nicht dadurch erklären, dass diese bei der Anlieferung Flasche für Flasche ebenso streng kontrolliert würden, wie die Fluggäste.

In den vergangenen Tagen ist der breiten Öffentlichkeit zudem drastisch klar geworden, dass Luftfracht allzu oft nicht oder nur oberflächlich kontrolliert wird. Die Poststelle des Kanzleramts hatte keine Probleme, das Bombenpaket als verdächtig zu identifizieren.

Besonders grotesk erscheint dies, weil viele Sendungen mit eben jenen Maschinen befördert werden, deren Passagiere sich langwierig untersuchen lassen müssen. Bei Frachtfliegern ist die Sorglosigkeit ebenso besorgniserregend und auch zynisch: Nicht nur wird deren Piloten die Anschlagsgefahr quasi als Berufsrisiko aufgebürdet, der Absturz einer solchen Maschine über einer Großstadt hätte verheerende Folgen.

Wenn sich Politiker nun überrascht zeigen von dieser angeblich neuen Bedrohung, wollen sie eigenes Versagen kaschieren. Die Sicherheitslücke bei der Luftfracht ist lange bekannt; anders als die Europäer haben die USA schon 2007 vorgeschrieben, jedes einzelne Paket zu untersuchen, das in einer Passagiermaschine mitfliegen soll. Bis heute fehlt aber ein international abgestimmtes, umfassendes Sicherheitskonzept.

Es müsste ausgehen von einer gründlichen Analyse potentieller Risiken, nicht allein von naheliegenden Reaktionen auf den jüngsten Anschlagsversuch. Dann können Aufwand und Sicherheitsgewinn ins Verhältnis gesetzt werden - nur so kann eine politische und gesellschaftliche Debatte darüber geführt werden, wie viel Sicherheit zu welchem Preis gewollt wird.

Eine Nachrüstung ist auf die Schnelle nicht möglich

Neue Technik allein bringt keine Lösung; der Wettlauf mit der Kreativität von Terroristen ist nicht zu gewinnen: Nacktscanner sollten gegen Nachahmer des sogenannten Unterhosenbombers helfen, al-Qaida aber hat längst einen Attentäter losgeschickt, der Sprengstoff im Körper verbarg. Um Wirkung zu erzielen, müssen Passagier-, Fracht und auch die Zugangskontrollen an Flughäfen besser aufeinander abgestimmt werden.

Fürs Erste führt kein Weg daran vorbei, bei der Luftfracht Informationen wie Absender, Empfänger, Art der Ware und Ähnliches zu analysieren, um daraus Risikoprofile zu erstellen. Wenn ein Unternehmen in der EU täglich Tausende Sendungen aufgibt, können diese anders behandelt werden als ein einzelnes Paket eines unbekannten Absenders im Jemen. Eine Nachrüstung mit Scannern, die Sprengstoffe finden, um die komplette Luftfracht zu kontrollieren, ist auf die Schnelle nicht möglich.

Die Industrieländer aber müssen sich einig werden, um global einheitliche Standards durchzusetzen. Ohne diese lassen sich Sicherheitslücken in einem weltumspannenden Verkehrssystem nicht schließen.

© SZ vom 04.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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