Bolivien:Haftbefehl gegen Evo Morales

Die Übergangsregierung in La Paz wirft dem Ex-Präsidenten Unruhestiftung vor - doch der redet bereits von einem Comeback in der Politik.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Bolivien: „Raus!“ Diese Argentinier würden Morales am liebsten sofort ausliefern.

„Raus!“ Diese Argentinier würden Morales am liebsten sofort ausliefern.

(Foto: Natacha Pisarenko/AP)

Eigentlich hätte Mittwoch ein Freudentag für Evo Morales werden sollen. Im Jahr 2005 war der damalige Gewerkschaftsführer am 18. Dezember zum ersten Mal zum Präsidenten Boliviens gewählt worden. Mit seiner Partei, der Bewegung zum Sozialismus (MAS), baute er das Land in den folgenden Jahren radikal um. Die Wirtschaft wuchs, die Armut sank, zweimal wurde Morales wiedergewählt. Weder die Verfassung noch eine Volksbefragung konnten ihn stoppen.

So hätte es weitergehen können, wäre es nicht zu Unregelmäßigkeiten bei den letzten Wahlen im Oktober gekommen. Es folgten schwere Proteste und eine Meuterei der Sicherheitskräfte. Morales erklärte notgedrungen seinen Rücktritt und floh ins Exil, erst nach Mexiko und dann nach Argentinien. Und nun folgte auch noch ein Haftbefehl gegen den Ex-Präsidenten, erlassen - Zufall oder nicht - genau an dem Tag, an dem er vor 14 Jahren zum ersten Mal ins Amt gewählt wurde.

Am Mittwochnachmittag Ortszeit veröffentlichte die bolivianische Generalstaatsanwalt ein Schreiben, in dem Morales Anstiftung zu Unruhe und Terror vorgeworfen wird. Es soll die Mitschuld des Expräsidenten an den schweren Auseinandersetzungen belegen, die Bolivien in den Wochen nach der Wahl erschüttert haben. Mindestens 30 Menschen waren bei ihnen ums Leben gekommen.

Grundlage des Haftbefehls ist dabei eine Anzeige, eingereicht von der Übergangsregierung, die Bolivien seit Morales' Rücktritt regiert. Ihr Innenminister, Arturo Murillo, hatte einen Videomitschnitt bei der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Er soll belegen, dass Morales von seinem Exil aus Straßenblockaden organisiert hat. Die Aufnahmen zeigen angeblich einen Vertrauten im Telefongespräch mit Morales. Aus dem Handy hört man eine Stimme, die dem Expräsidenten zugeordnet wird, und die fordert, die "Rassisten und Faschisten zu bekämpfen" und Straßenblockaden zu organisieren, damit kein Essen in die Städte des Landes gelange. "Es ist Zeit zu kämpfen, kämpfen, kämpfen", sagt die Stimme. "Es gibt so lange Blockaden, bis wir gewinnen, mein Bruder".

Tatsächlich legten Anhänger von Morales in den Tagen nach dem Rücktritt des Ex-Präsidenten weite Teile Boliviens lahm. Sie sperrten Straßen und schnitten den Regierungssitz La Paz von Treibstoff und Lebensmittellieferungen ab. Essen und Benzin wurden knapp, und erst nach mehr als einer Woche beruhigte sich die Situation wieder. Es gilt als gesichert, dass Funktionäre von Morales' MAS-Partei die Blockaden zumindest mitorganisiert haben. Dass die verzerrte Stimme aus dem Telefon in dem Video aber tatsächlich dem Expräsidenten gehört, ist jedoch nicht bewiesen. Morales selbst hat die Echtheit der Aufnahmen bereits bei ihrer Veröffentlichung bestritten.

Aus seinem Exil in Argentinien sagte er, der Haftbefehl mache ihm keine Angst. Bevor er selbst ins Amt kam, sei er von zahlreichen Präsidenten angeklagt worden, unter anderem wegen Terrorismus, Unruhestiftung, Drogenhandel oder gar Mord. "Ich habe sie aber immer alle besiegt", so Morales.

Noch hat die Übergangsregierung keinen Termin für Neuwahlen bekannt gegeben. Morales hat aber bereits erklärt, selbst nicht antreten zu wollen. Allerdings wurde er von seiner Partei bereits zum Leiter der Wahlkampfkampagne ernannt. Und noch am Dienstag hatte er bei einer Pressekonferenz in Buenos Aires betont, im Vorfeld der Wahlen auch in seine Heimat reisen zu wollen. "Ich habe das Recht, in Bolivien Politik zu machen", sagt Morales.

Der Haftbefehl fordert nun aber alle Polizisten und öffentliche Angestellte des Landes auf, Morales festzunehmen und ihn der Staatsanwaltschaft vorzuführen. Diese erklärte zudem, auch bei Interpol einen Haftbefehl stellen zu wollen.

In Argentinien betonten Regierungssprecher, Morales genieße den Status eines Geflüchteten. Eine Auslieferung sei darum rechtlich nicht möglich. Vergangene Woche war Morales von Mexiko aus erst nach Kuba und dann nach Buenos Aires gereist, wo er noch am Flughafen einen Antrag auf Asyl stellte. In Argentinien gibt es eine große bolivianische Gemeinde, zudem sind die beiden Länder direkte Nachbarn. Der Haftbefehl aber macht eine Heimreise von Morales trotz aller geografischen Nähe nun unwahrscheinlicher. Dies wiederum ist ein herber Schlag für seine Partei MAS: Morales ist vor allem bei armen Teilen der Bevölkerung immer noch sehr beliebt und hätte so Stimmen garantieren können.

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