Bolivien:Ein Land steht in Flammen

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Die von der Regierung geförderte Feuerrodung vernichtet den einzigartigen Trockenwald. Im ärmsten Lande Südamerikas sind die Menschen wütend auf Präsident Morales.

Von Sebastian Schoepp, München

Auch im Pantanal-Schutzgebiet an der Grenze Boliviens zu Brasilien, wüten Brände. Naturschützer machen die Regierung verantwortlich. (Foto: Pablo Cozzaglio/AFP)

Nicht nur in Brasilien brennt der Urwald, auch im Nachbarland Bolivien haben gelegte Feuer gewaltige Mengen Wald vernichtet. Sheyla Martínez, Koordinatorin eines Netzwerks von mehr als 40 regierungsunabhängigen Organisationen, schätzt, dass etwa eine Million Hektar Trockenwald abgebrannt sind. Sie sitzt im Ascheregen von Santa Cruz de la Sierra, einer Großstadt mit internationalem Flughafen, wo mehrmals täglich das Löschflugzeug Supertanque gefüllt wird, eine umgebaute Boeing 747, die Bolivien in den USA gechartert hat. Viel ausrichten kann der Jumbo nicht. Die Brände, so sagt Martínez, würden wohl erst aufhören, wenn der ganze Wald weg sei.

Der Trockenwald des bolivianischen Chaco und der Chiquitanía ist extrem anfällig für Feuer. "Die Bodenverhältnisse sind einzigartig auf der Welt, viele Baum- und Tierarten gibt es nur hier. Das alles wiederherzustellen, wird 200 Jahre dauern", sagt Juvenal Bonilla, Präsident der Agraringenieure von Santa Cruz, dem Radiosender Fides. Die wenigen Feuerwehrleute in der entlegenen Gegend zwischen Santa Cruz und brasilianischer Grenze sind völlig überfordert, da bringt es auch nichts, dass Präsident Evo Morales inzwischen höchstpersönlich beim Löschen hilft und sich ablichten lässt, wie er im weißen Hemd und mit Gasmaske auf die Flammen eindrischt.

Umweltschützer sind der Meinung, die Regierung habe die Brände mitverschuldet

Die Regierung versuche, ihr Image aufzupolieren, sagt Sheyla Martínez. Sie und viele Umweltschützer sind der Meinung, die Regierung habe die Brände mitverschuldet. Ähnlich wie in Brasilien wurde Brandrodung gefördert. Es gibt dort das inzwischen berüchtigte Gesetz 741 und das Dekret 3973, die "kontrolliertes Abbrennen" von 50 Hektar Fläche autorisieren. Die Regierung wollte damit Kleinbauern helfen, Weideland zu schaffen. Schließlich haben die Chinesen enormen Hunger auf bolivianisches Rindfleisch, neue Lieferabkommen mit Peking versprechen Einkommensquellen für die Menschen im ärmsten Land Südamerikas, das auf Agrarexporte angewiesen ist.

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(Foto: Raul Martinez/AP)

Der bolivianische Präsident Evo Morales betätigt sich als Feuerlöscher im Gebiet von Robore.

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(Foto: Juan Karita/AP)

Das Feuer frisst sich in den Chiquitania Wald bei Robore. Bolivien charterte in den USA einen B747-400 Supertanker zum Löschen der Brände.

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(Foto: Aizar Raldes/AFP)

Auch in Charagua nahe der Grenze zu Paraguay ließ sich Präsident Evo Morales beim Feuerlöschen fotografieren.

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(Foto: Pablo Cozzaglio/AFP)

Das Feuer hat im Otuquis National Park im Südosten Boliviens große Schäden angereichtet.

Nun aber sind stattdessen viele Einkommensquellen vernichtet, denn es brennen nicht nur Wald und Wildtiere, sondern auch vieles, was Indigene und colonos, Kleinfarmer, angebaut haben. Die Forstverwaltung Boliviens hat die Regierung aufgefordert, die schädlichen Dekrete sofort zurückzunehmen.

Die NGO Grupo de Trabajo Cambio Climático y Justicia ist durchs Land gereist und hat Menschen interviewt, die auf der Facebookseite der Organisation berichten, wie die Flammen ihre Hütten, ihre Ernte, ihren Lebensraum vernichten. Viele klagen über Untätigkeit der Regierung. Sheyla Martínez widerspricht sarkastisch. "Doch, die Regierung hat schon etwas getan, sie hat gestern die ersten Tonnen Rindfleisch an China übergeben", sagt sie. Evo Morales hat den Wahlkampf unterbrochen, er kandidiert für eine vierte Amtszeit, was nur nach krasser Beugung der Verfassung möglich war. Die Brände kommen ihm gar nicht recht, denn die Kritik indigener Gruppen an der rabiaten Entwicklungspolitik wächst. Morales verliert die Verbündeten, die ihn groß gemacht haben.

Die Touristenattraktion ist nun umgeben von einer grau-schwarzen Wüstenei

Inzwischen gefährden die Brände auch den Fremdenverkehr, der immer wichtiger wurde für Bolivien. Martínez zeigt Bilder von dem Felsen Muela del Diablo, einer Touristenattraktion, deren Umgebung restlos abgebrannt ist. In der Chiquitanía sind die weltberühmten hölzernen Missionsstationen der Jesuiten, die sogenannten Reduktionen, nun umgeben von einer grau-schwarzen Wüstenei.

Immerhin hat Bolivien ein Netz gut funktionierender regierungsunabhängiger Organisationen, die das Ihre tun, die schlimmsten Folgen zu lindern. Überall würden Spenden gesammelt, berichtet Steffen Heinzelmann von Brot für die Welt, der in der Stadt Cochabamba arbeitet. Dort sei es normal, dass es Monate lang nicht regne. Aber dieses Jahr sei es besonders extrem. Mindestens 38 000 Feuer wüteten nach Angaben des Direktors der nationalen Wald- und Landbehörde, Cliver Rocha, in Bolivien.

Doch was tun, um solche Katastrophen künftig zu verhindern? Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro will sich mit den anderen Ländern, zu denen Amazonien gehört, am 6. September in der kolumbianischen Stadt Leticia treffen, um eine Umwelt- und Entwicklungsstrategie zu erarbeiten. Dabei dürfte es auch darum gehen, Einmischung von außen abzuwehren. So sagte der Präsidentensohn und Abgeordnete Eduardo Bolsonaro über Zuschüsse für den Waldschutz aus Europa: "Werden wir den Amazonasfonds annehmen und uns dafür prostituieren? Hier ist Brasilien, hier haben wir das Sagen."

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller mahnte in der Auseinandersetzung zur Mäßigung. "Druck erzeugt nur Gegendruck", sagte er der Zeit. Müller plädierte dafür, an dem Freihandelsabkommen der EU mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur festzuhalten. Allerdings sollten Importeure beispielsweise von Soja nachweisen müssen, dass für den Anbau keine Waldflächen gerodet würden.

© SZ vom 31.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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