Früher mag man bei dem Namen Boeing an die Königin der Lüfte gedacht haben – an die Boeing 747, zärtlich Jumbo genannt; majestätisch, elegant. Heute hat Boeing mit Königinnen kaum noch etwas zu tun. Boeing-Passagiere sind schon dankbar, wenn eine Maschine heil und mit allen Teilen wieder landet.
Vor gut zwei Wochen nun haben sich Boeing-Passagiere der besonderen Art auf einen langen Flug gemacht: Barry Wilmore und Sunita Williams. Sie sind nicht in ein Flugzeug gestiegen, sondern in Boeings neue Astronautenkapsel, genannt Starliner. Die hat die beiden in 26 Stunden zur Internationalen Raumstation ISS gebracht, die in etwa 400 Kilometern Höhe um die Erde kreist.
Doch es scheint momentan so zu sein, als klebe an allem, auf dem der Name Boeing prangt, das Pech. Nicht nur startete der Flug mit wochenlanger Verspätung. Es zeigte sich überdies, dass ein beim Start für überschaubar gehaltenes Problem mit einem Heliumleck im Antriebssystem dann doch größeren Ausmaßes ist: Mittlerweile soll es fünf solcher Lecks geben. Das ist heikel, weil Helium an Bord gleich an mehreren Stellen benötigt wird. Zudem gelang auch das Andocken an die ISS erst mit Verzögerung, da Steuertriebwerke nicht richtig funktionierten.
Stellte sich in den vergangenen Wochen vor allem die Frage, wann die Astronauten die ISS erreichen, gilt nun vor allem zu klären: Wann kommen sie wieder runter?
Erstmals soll eine bemannte US-Raumkapsel von der ISS auf festem Boden landen
Ursprünglich ging Boeing davon aus, dass die Astronauten etwa eine Woche an Bord der ISS bleiben würden. Doch dann wurde das Datum für die Rückkehr mehrmals verschoben– Tests müssen zeigen, dass eine sichere Rückkehr mit Starliner möglich ist. Zudem werden die Daten des Antriebssystems geprüft. Mittlerweile nennt die Nasa keinen festen Tag mehr für die Rückkehr von Wilmore und Williams – gut möglich also, dass Starliner erst im Juli an Fallschirmen baumelnd in White Sands Space Harbor in New Mexico zu Boden schwebt.
Boeing ist in der Zusammenarbeit mit der Nasa eine Art Zulieferer: Nachdem die US-Raumfahrtbehörde 2011 das Spaceshuttle-Programm beendet hatte, erhielt das Unternehmen im Jahr 2014 4,2 Milliarden Dollar, um ein Raumfahrzeug zu entwickeln. Es schien eine sichere Option zu sein, da Boeing einst am Apollo-Programm beteiligt war und reichlich Erfahrung mit Raketen und Raumfahrzeugen mitbrachte. Allein: Es funktionierte erst einmal nicht. Elon Musks Unternehmen Space-X, das von der Nasa mit 2,6 Milliarden Dollar deutlich weniger Geld erhalten hatte, schickte bereits 2020 eine bemannte Kapsel zur ISS.
Das Starliner-Programm hingegen wurde nach einem ersten verpatzten Startversuch 2019 von der Nasa unter eine Art verschärfte Kontrolle gestellt – ähnlich wie heute die Flugzeugproduktion unter besonderer Kontrolle der Behörden steht. Die aktuelle Mission ist der erste bemannte Testflug - und er wird nun deutlich länger dauern. In einem Blog-Eintrag teilt die Nasa mit, es gebe keinen Zeitdruck für die beiden Astronauten, die ISS zu verlassen. Es gebe ausreichend Vorräte an Bord.