Bodo Ramelow:Quereinsteiger mit Ambitionen

Der PDS-Spitzenkandidat ist selbstbewusst. Obwohl Bodo Ramelow genau wusste, dass ihn die SPD nicht zum Regierungschef machen würde, trat er als Ministerpräsidenten-Kandidat an. Jetzt ist er der große Wahlsieger.

Von Jens Schneider

Wenn Bodo Ramelow von seiner Lehrzeit als Kaufmann in einem Warenhaus in Hessen erzählt, meint man fast die Gewürze zu riechen, die er damals in der Lebensmittel-Abteilung zu unterscheiden lernte. Er führt den Zuhörer in die gute alte Kaufhaus-Welt, in der ein Verkäufer noch gründlich lernen musste, welches Gewürz und welchen Käse, welche Wurst und welche Art Fleisch er dem Kunden anbietet.

Bodo Ramelow: Bodo Ramelow hat mit der PDS Platz zwei vor der SPD verteidigt

Bodo Ramelow hat mit der PDS Platz zwei vor der SPD verteidigt

(Foto: Foto: dpa)

Richtig getriezt worden sei er von seinem Lehrmeister, sagt Ramelow und ist stolz darauf, mit Abstand bester Lehrling gewesen zu sein. Der Mann schwelgt in Engagement und Gründlichkeit.

Das ist typisch für den 1956 in Osterholz-Scharmbeck in Niedersachsen geborenen PDS-Politiker. Er nimmt seine Sache lustvoll ernst, arbeitet sich gern in die Details hinein. Und dann präsentiert er seine Erkenntnisse im Thüringer Landtag offensiv, manchen allzu offensiv; er ist eben auch Verkäufer in eigener Sache.

Aber die Kombination aus Engagement, Fleiß und Selbstdarstellung hat den Spitzenkandidaten der Thüringer PDS zum markantesten Politiker der Sozialisten werden lassen - und das als Westdeutschen. Nicht nur hat er das beste Wahlergebnis der PDS aller Zeiten geholt, auch gewann er in Erfurt ein Direktmandat.

Kurz nach der Wende kam Ramelow aus Hessen nach Thüringen, um die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen als deren Landes-Chef neu aufzubauen. Er hatte nach der Lehre in Gießen zunächst eine Laufbahn als Abteilungsleiter und später Filialleiter im Einzelhandel in Marburg begonnen und sich zugleich in der Gewerkschaft engagiert.

Als Gewerkschaftssekretär in Mittelhessen, im linken Spektrum angesiedelt, setzte er sich unter anderem gegen Berufsverbote ein. In Erfurt zählte er als HBV-Chef bald zu den bekannten Linken Thüringens, etwa in Bündnissen gegen Rechtsextremismus. Zur PDS kam Ramelow erst 1999. Schnell wurde er in der hausbackenen Landtagsfraktion zum auffälligsten Mann und löste nach zwei Jahren den Fraktionschef ab.

Als die christdemokratische Regierung noch unter Bernhard Vogel in der Affäre um die Ansiedlung eines CD-Werks ein höchst eigenwilliges Verhältnis zur Unabhängigkeit der Justiz zeigte, war es Ramelow, der die Regierung in Bedrängnis brachte. Akribisch recherchierte er auch im dubiosen Gewirr der Wirtschaftsförderung des Landes.

Nach dem Massaker am Gutenberg-Gymnasium kümmerte er sich um Hinterbliebene und kritisierte das Vorgehen der Rettungskräfte und Behörden. Gemeinsam mit einem Vertreter von Angehörigen schrieb Ramelow einen Katalog mit Forderungen nach Konsequenzen.

Seine Spontanität ist für viele alte PDS-Mitglieder gewöhnungsbedürftig. Der dreifache Vater - er hat in Erfurt zum zweiten Mal geheiratet - genießt es, der Partei eine Zumutung zu sein. Stolz erzählt der Protestant, dass mittlerweile manche Genossen vor Landtagssitzungen mit ihm in die Kirche gehen.

Manchmal freilich könnte er seinen Parteifreunden auch mehr zumuten. Dass Ramelow die Zusammenarbeit mit Genossen mit Stasi-Vergangenheit pflegt, stößt nicht nur früheren Bürgerrechtlern auf.

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