BND-Urteil:Auch für deutsche Spione gilt das Grundgesetz

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Der Schriftzug des Bundesnachrichtendienst in Berlin Zehlendorf

(Foto: Schoening/imago)

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stellt zu Recht klar, dass der Bundesnachrichtendienst die Rechte von Ausländern im Ausland berücksichtigen muss. Dies könnte die Arbeit des Dienstes am Ende sogar effektiver machen.

Kommentar von Ronen Steinke

Gefahr für Deutschland! Schaden für Deutschland! Wenn man den deutschen Auslandsgeheimdienst allzu eng an das Grundgesetz binde, schieße sich die deutsche Demokratie selbst ins Knie, so haben in den vergangenen Wochen Vertreter und Fürsprecher des Bundesnachrichtendiensts gewarnt.

Was für eine anmaßende Vorstellung. Das Bundesverfassungsgericht hat sich davon nicht irritieren lassen, wie an diesem Dienstag deutlich geworden ist, sondern es ist kühl, besonnen, durchaus auch abwägend geblieben - und es hat eine Selbstverständlichkeit klargestellt, für die es im Grunde schon genügt, den Artikel 1 des Grundgesetzes bis zu Ende zu lesen, bis zu seinem Absatz 3 nämlich: Die Grundrechte "binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung". Es steht da nichts von einer Ausnahme für besonders verschwiegene Sicherheitsbehörden.

Natürlich: Ein Spionagedienst wie der BND, der weltweit Datenströme durchforstet, Telefonleitungen anzapft, sich in die Kommunikation nicht nur von Terroristen, sondern vor allem auch von ausländischen Regierungen, Unternehmen und Abgeordneten einhackt, bricht laufend die Gesetze jener ausländischen Staaten. So machen es wechselseitig alle Staaten, damit kann ein Rechtsstaat durchaus leben. Aber dass deutsche Spione ihre Aufträge aus Berlin annehmen, ohne dass selbst die Leitplanken des eigenen Grundgesetzes sie effektiv einschränken - das kann man nicht akzeptieren.

Und diese Leitplanken wären: Die Pressefreiheit, ein Grundrecht, das nicht nur ein Privileg für Deutsche ist, sondern zu dessen Schutz das Grundgesetz die Träger staatlicher Gewalt insgesamt verpflichtet - egal, ob ihnen eine Journalistin aus Aserbaidschan oder ein Korrespondent aus Frankreich gegenübersteht. Es ist ein Grundrecht, das ausgehöhlt wird, wenn der BND wie bisher Journalistengespräche zwischen Ausländern im Ausland ohne Rücksicht abhört. Weshalb das Bundesverfassungsgericht sich jetzt schützend vor die Journalistinnen und Journalisten stellt.

Oder das Fernmeldegeheimnis, das zwar einen ziemlich angestaubten Namen, aber allergrößte Aktualität besitzt. Je mehr die Menschen ihre sozialen Kontakte in digitaler Form eingehen, desto stärker wirkt sich der subtile Druck aus, der von Massenüberwachung ausgeht, wie sie der BND betreibt. Die Überwachten betrachten sich mit den Augen des Überwachers, verhalten sich vorsichtig, konformer, weniger frei.

Die meisten Geheimdienste der Welt folgen dem bequemen Prinzip: Ausländer sind Freiwild - Grundrechte, Datenschutz, Skrupel gibt es nur für die jeweils eigenen Bürger. Die BND-Lauscher im bayerischen Pullach, wo die Abteilung "Technische Aufklärung" sitzt, werden sich davon jetzt verabschieden müssen. Arbeiten können sie trotzdem: Das Karlsruher Gericht verlangt nicht, dass sie die Grundrechte von Menschen in weiter Ferne beim Abwägen genauso schwer gewichten wie die von Deutschen. Der BND wird künftig in jedem Einzelfall genauer darlegen müssen, warum dieses oder jenes "deutsche Interesse" die Grundrechte dieses Ausländers überwiegt. Und wenn er dann genauer hinsieht, bevor er belauscht, könnte es seine Arbeit sogar wirksamer machen.

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