BND-Untersuchungsausschuss:Effizienz statt Moral

Gedächtnislücken, wenig Aufklärungswille: Der BND-Untersuchungsausschuss offenbarte ein eigenwilliges Rechtsverständnis mancher Politiker.

Peter Blechschmidt

Politiker und Beamte machen nicht einfach einen Job. Deshalb legen sie vor Übernahme ihres "Amtes" einen Eid ab. Sie schwören, dass sie "Gerechtigkeit gegen jedermann üben" werden (Minister), und sie versprechen, die "geltenden Gesetze zu wahren" (Beamte).

BND-Untersuchungsausschuss: Frank-Walter Steinmeier vor dem BND-Untersuchungsausschuss: Am Ende konzentrierte sich alle Kritik auf ihn.

Frank-Walter Steinmeier vor dem BND-Untersuchungsausschuss: Am Ende konzentrierte sich alle Kritik auf ihn.

(Foto: Foto: Getty)

Der BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages bot reichlich Einblicke, wie schwer es im täglichen Regierungshandeln ist, diesen Maximen treu zu bleiben. Mit der Parlamentsdebatte über seinen Abschlussbericht an diesem Donnerstag werden die Akten des Ausschusses nun endgültig geschlossen.

Manche Frage bleibt offen, weil die Unterlagen nicht vollständig waren, weil Zeugen merkwürdige Gedächtnislücken hatten und weil sich der Aufklärungswille von Regierung und Koalition in Grenzen hielt. Wie war das etwa mit der Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und deutschen Sicherheitsbehörden nach dem 11. September 2001?

Den Deutschen war es peinlich, dass die Attentäter ihr Komplott in Hamburg geschmiedet hatten. So gaben sie ihr Wissen uneingeschränkt preis. Dass die Amerikaner diese Informationen auch zu illegalen Aktionen wie Entführung und Folter nutzten, wussten die Deutschen angeblich nicht. Zweifel daran sind angebracht.

Unzweifelhaft ist, dass die rot-grüne Bundesregierung den Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz nicht in Deutschland zurückhaben wollte: einmal Sicherheitsrisiko, immer Sicherheitsrisiko, und seien die Verdachtsmomente noch so vage. Kurnaz war - dank Angela Merkel - längst wieder in Deutschland, da blieben die Sicherheitsbehörden und ihr früherer oberster Koordinator Frank-Walter Steinmeier immer noch dabei, sie würden heute wieder so handeln.

Ob der BND-Einsatz in Bagdad eine Beteiligung am Irak-Krieg war und somit im Widerspruch zur erklärten Politik der Regierung Schröder/Fischer stand, muss letztlich jeder für sich bewerten. Dass Rot-Grün nicht einmal die parlamentarischen Kontrolleure der Geheimdienste informierte, kann man durchaus als Ausdruck eines schlechten Gewissens interpretieren. Ein Verstoß gegen geltendes Recht war es allemal.

Vielfach hat der Ausschuss gezeigt, wie schwierig es sein kann, in Zeiten von Terror und Krieg korrekte politische Entscheidungen zu treffen. Etwa die, wie man mit einer Information über einen geplanten Terroranschlag umgeht, wenn sie unter Folter gewonnen wurde. Niemand bestreitet, dass politische Verantwortung eine schwere Bürde sein kann.

Gerade deshalb gibt es Recht und Moral als starke Leitplanken. Im Ausschuss hatte man viel zu oft das Gefühl, dass das Bemühen um effizientes Funktionieren moralische Bedenken überlagert hat. Es gab Staatsdiener, auf deren Rechtstreue oder auch nur guten Willen man schon als glattrasierter Inhaber eines deutschen Passes nicht angewiesen sein möchte, geschweige denn als bärtiger Türke.

Dass sich am Ende alle Kritik auf Steinmeier konzentriert, wird den Vorgängen von damals nicht gerecht. Ein Ex-Innenminister Otto Schily und ein Ex-Außenminister Joschka Fischer legten im Ausschuss mindestens ein gleich hohes Maß an Selbstgerechtigkeit, ja Zynismus an den Tag. Steinmeiers Pech ist, dass er der Einzige aus der ehemaligen Führungsriege ist, der noch im Rampenlicht steht. Sein Glück ist, dass die Öffentlichkeit im Laufe der dreijährigen zähen Arbeit das Interesse an dem Ausschuss verloren hat. So dürfte der Kanzlerkandidat der SPD im Wahlkampf von Fragen nach seiner damaligen Verantwortung weitgehend verschont bleiben.

Man mag die Ergebnisse des Ausschusses im Einzelnen für zu mager halten. Immerhin ist die Welt der Geheimdienste nun ein bisschen weniger geheimnisvoll, und den Akteuren ist bewusst geworden, dass sie sich möglicherweise einmal vor einem Untersuchungsausschuss rechtfertigen müssen. Schon deshalb hat sich der Ausschuss gelohnt.

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