Wenn der BND Terroristen in Mali überwacht oder Offiziere in Russland, dann schweigt er darüber. Der handelsübliche Geheimdienst trägt einen ganz wesentlichen Teil seiner Arbeitsweise schließlich schon im Namen: dass er im Geheimen agiert. Nur müssen sich die deutschen Agenten auch beim Ausspähen an Gesetze halten. Und sie müssen das überprüfen lassen. Das tun sie aber offenbar eher ungern.
Dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) geht die Geheimniskrämerei des Bundesnachrichtendienstes jetzt zu weit. Die Bonner Behörde mit mehr als 300 Bediensteten greift deshalb zu einem drastischen Mittel: Sie verklagt den BND am Bundesverwaltungsgericht, wie sie am Donnerstag mitteilte. Es ist in der 46-jährigen Geschichte des BfDI die erste Klage überhaupt gegen eine andere Bundesbehörde. Was nach einer Verwaltungsposse klingen mag, führt zu einer grundsätzlichen Frage: Wie geheim darf ein Geheimdienst im Rechtsstaat eigentlich arbeiten? Fragen und Antworten.
Worum geht es bei der Klage gegen den BND?
Die Kontrolleure des BfDI fahren gut zehnmal im Jahr in die Dienststellen des BND, um mit dessen Fachleuten zu sprechen und zu überprüfen, ob der Auslandsnachrichtendienst sich an Datenschutzregeln hält. Da sitzen dann meist vier BfDI-Leute in Konferenzräumen und lassen sich von ein bis zwei Dutzend BND-Mitarbeitern auf großen Bildschirmen die Überwachungssysteme und einzelne Datensätze zu Zielpersonen zeigen.
Im Februar wollten die Datenschützer nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ein System überprüfen, mit dem der BND nicht-deutsche Personen im Ausland überwacht. Für solche Maßnahmen benötigt der Nachrichtendienst eine Anordnung von seiner Behördenleitung. Darin muss beschrieben sein, warum er die entsprechende Person auf welche Weise ausspähen will. Aber diese Anordnungen habe der BND nicht zeigen wollen, heißt es vom BfDI.
Die Datenschutzbehörde beanstandete das förmlich. Aber das Bundeskanzleramt, dem der BND untersteht, habe nichts unternommen, wie vonseiten der Datenschützer zu hören ist. Sie beklagen, dass der BND sie seit gut zwei Jahren immer weniger in seine Geheimnisse blicken lassen wolle. "Es kann nicht sein, dass die dem BfDI verfassungsgerichtlich zugesprochene Kompensationsfunktion für unwissend betroffene Personen so ins Leere läuft", sagt der oberste Datenschützer, Behördenleiter Ulrich Kelber. Er selbst hat durch die Klage nicht mehr viel zu verlieren: Kelber ist nur noch kommissarisch im Amt, im Sommer übernimmt seine Nachfolgerin Louisa Specht-Riemenschneider.
Der BND teilte zu der Klage auf Anfrage mit, man nehme zu "Angelegenheiten, die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Tätigkeiten betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung". Ein Sprecher des Kanzleramts schrieb, man äußere sich nicht zu einem laufenden Rechtsstreit.
Warum sollte der BND die Datenschützer überhaupt in seine Systeme schauen lassen?
Weil er muss. Der Nachrichtendienst hat dem BfDI laut Gesetz Einsicht in alles zu gewähren, was er über seine Zielpersonen sammelt, und auch in seine Systeme. Der BfDI dürfte damit wohl den besten Einblick überhaupt haben, was der BND so tut. Die einzige Ausnahme für das Einsichtsrecht: Wenn der jeweilige Dienstherr eines Nachrichtendienstes - im Fall des BND eben das Kanzleramt - feststellt, "dass die Auskunft oder Einsicht die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden würde".
Wieso hat der BND die Einsicht in die Überwachungsanordnungen verweigert?
Bei der Kontrolle des Ausländer-Überwachungssystems im Februar soll sich der BND nach SZ-Informationen auf die "Third Party Rule" berufen haben. Eine Geheimdienstregel: Herr über eine Information bleibt, wer sie als Erster in die Hände bekommen hat. Wenn also ein ausländischer Nachrichtendienst mit dem BND eine Information teilt, dürfen die Deutschen diese nur mit dem Einverständnis dieses Partnerdienstes an Dritte weitergeben, etwa an den BfDI. Im aktuellen Fall sollen in den Anordnungen vertrauliche Informationen von ausländischen Nachrichtendiensten stehen.
Dabei soll sich die Datenschutzbehörde gerade erst mit dem BND auf einen Modus Operandi geeinigt haben: Die Kontrolleure dürfen Dokumente einsehen, aber der BND schwärzt den Namen des Partnerdienstes. Gerade deshalb haben die Kontrolleure beim BfDI kein Verständnis für die Weigerung des BND. Der Geheimdienst habe noch ein weiteres Argument vorgebracht, heißt es: Die Überwachungsmaßnahmen seien doch schon an anderer Stelle genehmigt worden, nämlich vom Unabhängigen Kontrollrat.
Wer kontrolliert den BND sonst noch?
Unter Nachrichtendienstlern gibt es einen Spruch, der mindestens eine Spur Sarkasmus enthält: Deutschland habe die am besten kontrollierten Dienste der Welt. Der BfDI ist für Datenschutzbelange beim BND, beim Verfassungsschutz und beim Militärischen Abschirmdienst zuständig. Dazu kommt die G-10-Kommission, benannt nach Artikel 10 des Grundgesetzes, der das Fernmeldegeheimnis regelt. Dieses Gremium entscheidet, ob die Agenten Mails von deutschen Staatsbürgern und ausländischen Zielpersonen in Deutschland mitlesen oder Telefonate mitschneiden dürfen.
Dazu kommt beim BND der Unabhängige Kontrollrat. Dieses Richtergremium prüft, welche Telekommunikationsdaten der BND im Ausland überwachen darf. Und dann gibt es noch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags, dessen Abgeordnete den Überblick über alles Wichtige haben sollen, was in den deutschen Diensten abläuft.
In der Ampelkoalition gibt es Überlegungen, dieses Knäuel aus Kontrollorganen zu entwirren. Der Unabhängige Kontrollrat könnte damit mehr Kompetenzen bekommen: Eine Idee ist, dass er nicht mehr nur die technische Überwachung des BND auf Rechtmäßigkeit prüft, sondern auch andere Ausspähmaßnahmen wie etwa den Einsatz menschlicher Quellen. Und dass er künftig auch den Verfassungsschutz überprüft. Die Ampel hat schon im Koalitionsvertrag angekündigt, die Nachrichtendienste noch engmaschiger kontrollieren zu wollen. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht angemahnt.