BND:"Schindler trägt die Verantwortung"

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In der Selektoren-Affäre erhöht die Opposition den Druck auf den BND-Chef Gerhard Schindler.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die Opposition im Bundestag verlangt wegen der sogenannten Selektoren-Affäre im Bundesnachrichtendienst (BND) den Rücktritt von BND-Präsident Gerhard Schindler. Martina Renner, Obfrau der Linken im NSA-Untersuchungsausschuss, forderte, dass Schindler "seinen Hut nehmen" müsse. "Er trägt als Chef der Behörde die Verantwortung für die illegale Abhörpraxis des BND, unabhängig davon ob er davon wusste oder nicht", sagte Renner der Süddeutschen Zeitung.

Der BND ist in der Kritik, weil er über Jahre Suchbegriffe - sogenannte Selektoren - eingesetzt hat, mit denen er europäische Institutionen, befreundete Regierungen, Hilfsorganisationen und mindestens einen deutschen Diplomaten im Ausland ausspionierte. Der BND hat offenbar die eigenen Selektoren erst überprüft, nachdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Oktober 2013 verkündete hat, "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht."

Es sei nicht damit getan, "dass Leute verschoben werden", sagt Konstantin von Notz

Bereits jetzt hat die Affäre personelle Konsequenzen. Im BND sollen nach Informationen der SZ drei Mitarbeiter ihre Posten verlieren. Darunter Hartmut Pauland, Leiter der Abteilung technische Aufklärung. Pauland ist seit 1. Januar 2013 in diesem Amt und direkt BND-Präsident Gerhard Schindler unterstellt. Der Bundesnachrichtendienst erklärte auf Nachfrage, er äußere sich nicht zu Personalfragen. Das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages (PKGr) übte massive Kritik an Bundesnachrichtendienst und Bundeskanzleramt. In einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung des PKGr heißt es, der BND habe über Jahre hinweg "eine Vielzahl von Zielen aufgeklärt, die nicht auftragskonform und rechtlich unzulässig sind". Die dreiseitige Erklärung ist am Mittwoch in einer Sondersitzung des PKGr mit den Stimmen der Abgeordneten von CDU, SPD und André Hahn (Die Linke) verabschiedet worden. An der Sitzung hat auch der Chef des Bundeskanzleramts, Peter Altmaier (CDU) teilgenommen. Die Erklärung ist in dieser Form ein Novum. Das PKGr tagt streng geheim, öffentliche Stellungnahmen kann es daher nur abgeben, wenn mindestens zwei Drittel seiner Mitglieder sich dafür aussprechen.

Bekannt war bisher, dass auch ein deutscher Diplomat zu den Abhör-Zielen des BND gehörte. Das ist besonders problematisch, weil es dem BND untersagt ist, deutsche Staatsbürger auszuspähen. PKGr-Mitglied Christian Ströbele (Grüne) deutete nach der Sondersitzung am Mittwoch an, dass auch zweiter Deutscher in das Visier des BND geraten sein könnte. Nach Informationen der SZ handelt es sich dabei offenbar um einen telefonischen Gesprächspartner des genannten Diplomaten.

Die Umbesetzungen der drei BND-Posten sind aus Sicht von Christian Flisek, Obmann der SPD im NSA-Ausschuss, nur "erste Reaktionen innerhalb des Dienstes, man könnte auch sagen, erste Zuckungen". Es reiche allerdings nicht, "wenn man einzelne Personen von links nach rechts verschiebt". Es gebe strukturelle Defizite im BND, die nur mit einem neuen Rechtsrahmen ausgeglichen werden können. Weitere Rücktritte forderte Flisek nicht. An BND-Chef Schindler habe er aber noch eine Reihe von Fragen. Etwa, warum er in seine interne Aufklärungsgruppe "genau die Leute einbezieht, die den ganzen Schlamassel zu verantworten haben".

Der Grünen-Obmann im Ausschuss, Konstantin von Notz, sagte: "Wer im größten Überwachungsskandal aller Zeiten glaubt, damit rumzukommen, dass Leute irgendwie verschoben werden, der hat nicht erkannt, was Sache ist." BND und Bundesregierung hätten das Parlament im Sommer 2013 "belogen und hinter die Fichte geführt", als sie jede Mitverantwortung an der weltweiten NSA-Affäre "wahrheitswidrig geleugnet" hätten.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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