BND-Reform:Geheimdienst-Kontrolle: Mit der Lizenz zum Fragen

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Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen - und die Merkel-Raute formen. Die Piratenpartei fordert auf diese Weise mehr Transparenz. (Foto: Adam Berry/Getty )
  • Das Bundeskabinett will an diesem Dienstag einen Gesetzentwurf zur BND-Reform auf den Weg bringen.
  • Erklärtes Ziel: Die parlamentarische Kontrolle des Nachrichtendienstes soll gestärkt und seine Abhör-Aktivitäten aus der juristischen Grauzone herausgeholt werden.
  • Allerdings soll damit nicht die G-10-Kommission betraut werden, sondern ein neues, gesondertes Gremium.

Von Georg Mascolo und Ronen Steinke, München

Immer, wenn die deutschen Geheimdienste sich in die Karten schauen lassen, unterbrechen dafür vier verdiente, ehemalige Abgeordnete und Richter einen Tag lang ihre Freizeit. Sie fahren nach Berlin, man trifft sich in einem fensterlosen Raum unter dem Bundestag hinter einer abhörsicheren Tür.

Die vier Mitglieder der sogenannten G-10-Kommission - benannt nach Artikel 10 des Grundgesetzes, der das Fernmeldegeheimnis garantiert - müssen ihr Einverständnis geben, bevor die deutschen Dienste einen Bürger abhören. Sie bekommen dafür Dutzende Akten zu sehen, viel Arbeit für Ehrenamtliche - allerdings viel weniger, als ihnen lieb wäre.

G-10-Kommission bleibt außen vor

Denn all die politisch heiklen Lausch-Aktivitäten in der Europäischen Union, die gesamte BND-Spionage gegen Ausländer, die heiß umstrittenen sogenannten Selektoren - auch auf Nachfrage zeigt man ihnen nichts davon, kritisieren die Mitglieder der Kommission, die deshalb erstmals in der Geschichte vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

Anders als die Geheimdienst-Kontrolleure in Norwegen oder in den Niederlanden haben sie auch nicht das Recht, Angaben der Dienste in deren Datenbanken zu verifizieren. Einer aus der Runde hat es einmal so ausgedrückt: Schön, dass sich die Dienste in die Karten schauen lassen. Aber falls eine Karte gezinkt sein sollte, würde es auch keiner merken.

Beinahe auf den Tag drei Jahre nach dem Beginn der Enthüllungen durch den Whistleblower Edward Snowden will nun an diesem Dienstag das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur BND-Reform auf den Weg bringen. Ziel, so sagt es die große Koalition, ist es, die parlamentarische Kontrolle des Nachrichtendienstes zu stärken und seine Abhör-Aktivitäten aus der juristischen Grauzone herauszuholen und stärker zu reglementieren. Was die G-10-Kommission anmahnt, soll demnach bald wahr werden: Die deutsche Auslands-Spionage würde einer rechtsstaatlichen Kontrolle von außen unterworfen.

Allerdings soll damit nicht die G-10-Kommission betraut werden, mit der vor allem das Kanzleramt über Kreuz liegt, sondern es soll ein neues, gesondertes Gremium errichtet werden, das enger mit der Regierung verbunden, zudem kleiner ist und sich auch seltener trifft. Dies ergibt sich aus der Kabinettsvorlage, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Das neu zu schaffende "Unabhängige Gremium" soll nur "mindestens alle drei Monate" zusammentreten, so heißt es im Gesetzentwurf. Es soll aus drei Mitgliedern bestehen, von denen eines der Bundesanwaltschaft angehört, der für Ermittlungen gegen Terroristen und ausländische Spione zuständigen Behörde des Bundes. Daneben sollen zu der Dreierrunde zwei Richter des Bundesgerichtshofs gehören.

Nominiert werden alle drei Mitglieder von ihren Institution, ernannt jedoch von der Bundesregierung. Wie unabhängig werden sie sein? Bundesanwälte unterliegen den Weisungen des Justizministers; bei ihrer Arbeit in dem Dreier-Gremium sollen sie allerdings weisungsfrei sein. Das System der Geheimdienstkontrolle verlagert sich damit ein Stück weg vom Bundestag.

Obwohl auch die Abgeordneten im Parlamentarischen Kontrollgremium dort einen Stab von 20 Mitarbeitern bekommen sollen, der sie unterstützt, wird die deutsche Auslandsspionage künftig an einem anderen Ort kontrolliert werden. Selbst die Geschäftsstelle für die drei Juristen soll nicht beim Bundestag, sondern in Karlsruhe sein. Die SPD, ohne die es die Reform gar nicht geben würde, wollte es anders, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Dass etwas geschehen muss, sehen wohl alle Parteien im Bundestag so, das Parlament wurde während der Snowden-Enthüllungen falsch, zu spät oder auch gar nicht informiert. Der Kanzlerinnensatz, nach dem sich Abhören unter Freunden nicht gehört, endete in einer Blamage: Der dem Kanzleramt unterstehende BND hatte genau dies im großen Maßstab getan. Das Parlament erfuhr davon erst hinterher, die Mitglieder der G-10-Kommission fühlten sich getäuscht.

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Kommentar von Ronen Steinke

Wo bislang eine Rechtsgrundlage für die Auslandsspionage des BND gegen Ausländer völlig fehlte, gäbe es künftig erstmals rechtliche Hürden, über die das Karlsruher Dreier-Gremium wachen soll. Auch dieses Kernstück der BND-Reform hat bei den monatelangen Beratungen, die das gesamte Vorhaben an den Rand des Scheiterns brachten, allerdings gelitten.

Ursprünglich sollten EU-Institutionen und vor allem EU-Bürger in derselben Weise geschützt sein wie Deutsche. Man hätte sie nur abhören dürfen, wenn es um konkrete Gefahren gegangen wäre, etwa Terrorismus oder illegaler Waffenhandel. Eine solche weltweit einmalige Regelung wäre eine echte Konsequenz aus dem Diktum der Kanzlerin gewesen.

Der jetzige Gesetzentwurf dagegen lässt diese Überwachung bereits zu, um "die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu wahren". Immerhin müssen die Anordnungen künftig vom BND-Präsidenten selbst erlassen werden, die Zeit, in der einfache Sachbearbeiter entschieden, ob sie den französischen Außenminister abhören, wären dann vorbei.

Auch wäre dieser Rechtsschutz für Ausländer immerhin schon weit mehr, als bei den Nachrichtendiensten der meisten anderen Länder gilt, betont SPD-Fraktionsvize Eva Högl. Sie erhofft sich deshalb eine "Vorbildwirkung". Ob auch die Praxis sich zum Vorbild entwickelt, das würden dann künftig die drei Juristen in Karlsruhe verfolgen - allerdings stets nur nachträglich. Sie können Einwände erst äußern, wenn die Zielperson bereits abgehört wurde.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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