BND in der Kritik:Kontrolle ist gut, täglich ist besser

Der Bundesnachrichtendienst hat wieder Journalisten bespitzelt. Deutschland braucht deshalb einen Beauftragten, der die Geheimdienste ständig überwacht. Dies fordert nun ein ehemaliges Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums.

Hermann Bachmaier

Die Meldungen über unzulässige Eingriffe von Geheimdiensten reißen nicht ab. So ist vor wenigen Tagen bekannt geworden, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) im Jahre 2006 die E-Mail-Korrespondenz zwischen der Spiegel-Redakteurin Susanne Koelbl und dem afghanischen Handels- und Industrieminister Amin Farhang mehrere Monate lang mitgeschnitten hat. Grundlegende Verbesserungen der Geheimdienstkontrolle sind seit langem überfällig.

BND in der Kritik: Stehen wieder in der Kritik: Der Bundesnachrichtendienst und dessen Chef Ernst Uhrlau

Stehen wieder in der Kritik: Der Bundesnachrichtendienst und dessen Chef Ernst Uhrlau

(Foto: Foto: ddp)

Mittlerweile sind sich alle Parteien, vor allem aber auch die beiden Koalitionspartner CDU/CSU und SPD, grundsätzlich darüber einig, die Möglichkeiten der Kontrolle auszubauen. Kernforderung eines von der CDU/CSU-Fraktion bereits vorgelegten Gesetzentwurfes ist die Schaffung eines "Ständigen Beauftragten" zur Kontrolle der bundesdeutschen Geheimdienste.

Mit einer Zweidrittelmehrheit sollen demnach die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums diesen "Ständigen Beauftragten" wählen können. Dem Beauftragten sollen umfassende Kontrollbefugnisse übertragen werden, die er in enger Anlehnung an das Parlamentarische Kontrollgremium wahrzunehmen hätte. Die bislang bekannten Vorschläge der SPD-Bundestagsfraktion hingegen beschränken sich im Wesentlichen darauf, die personelle Ausstattung des Gremiums zu verbessern.

Vor zwölf Jahren waren Otto Schily, Peter Struck und ich als Bundestagsabgeordnete mit der Aufklärung der "Plutonium-Affäre" des BND befasst. Wir forderten damals die Schaffung eines mit weitgehenden Aufklärungsbefugnissen ausgestatteten "Geheimdienstbeauftragten", nachdem die Aufklärung des durch die Medien aufgedeckten Skandals in der damaligen parlamentarischen Kontrollkommission gescheitert war. Immerhin ging es damals darum zu klären, ob und inwieweit der BND in den illegalen Import von 400 Gramm waffenfähigem Plutonium an Bord einer Lufthansa-Linienmaschine verwickelt war.

Unser Vorschlag sah damals ebenfalls vor, den oder die Beauftragte mit einer Zweidrittel-Mehrheit zu wählen - allerdings mit einer Zweidrittelmehrheit des Bundestags. Als dessen Hilfsorgan sollte er eine Amtszeit von fünf Jahren haben, an Weisungen nicht gebunden sein und Anspruch auf alle notwendigen Informationen haben. Der Geheimdienstbeauftragte sollte freien Zugang zu allen deutschen Nachrichtendiensten, umfassende Auskunftsrechte sowie das Recht auf Zeugenvernehmung erhalten. Als Vorbild für diesen Vorschlag diente die Institution des Wehrbeauftragten, die sich über viele Jahrzehnte hinweg bewährt hat.

Zwar haben sich in den damaligen Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition einige Verbesserungen der Geheimdienstkontrolle ergeben - so wurde die Institution eines "Sachverständigen" geschaffen, der bei Bedarf mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des jetzigen Parlamentarischen Kontrollgremiums mit der Aufklärung von Sachverhalten beauftragt werden kann. Dass sich dies in hohem Maße bewährt hat, zeigt schon die Tatsache, dass in den vergangenen Jahren von dieser Möglichkeit seitens des Gremiums mehrmals Gebrauch gemacht worden ist. Gerhard Schäfer, der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, hat in dieser Funktion vorbildliche Pionierarbeit geleistet. Er arbeitete unter anderem vor zwei Jahren die Bespitzelung von Journalisten durch den BND gründlich auf.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, weshalb die bisherige Regelung sowohl dem Ansehen des Parlaments als auch dem Ruf der Geheimdienste schadet.

Kontrolle ist gut, täglich ist besser

Nach meinen langjährigen Erfahrungen bei der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste weiß ich: Dem Parlamentarischen Kontrollgremium bloß mehr Kompetenzen zu geben und es personell besser auszustatten - dies wird nicht ausreichen, die Geheimdienste wirkungsvoll zu kontrollieren.

Auch bei einer Ausweitung der Kompetenzen und einer Verbesserung der Personalstruktur sowie der in Einzelfällen möglichen Beauftragung eines Sachverständigen wird es letztlich dabei bleiben, dass das Parlamentarische Kontrollgremium auch weiterhin den durch Medien aufgedeckten Skandalen hinterherläuft - ohne, wie es nötig wäre, die Arbeit der Geheimdienste fortlaufend zu kontrollieren. Geheimdienste aber, die nicht wirksam kontrolliert werden, haben immer wieder die Tendenz, sich zu verselbständigen und aus dem Ruder zu laufen. Wenn ein Geheimdienstskandal den anderen jagt, wird im Übrigen auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Gesetzmäßigkeit des Handelns der Dienste untergraben. Auf dieses Vertrauen aber sind auch die Geheimdienste in einem demokratischen Rechtsstaat dringend angewiesen.

Es kommt deshalb nicht von ungefähr, dass sogar der früher höchst umstrittene Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer sowie der frühere BND-Chef Hansjörg Geiger eine Verbesserung der Geheimdienstkontrolle fordern und die Schaffung eines Geheimdienstbeauftragten als ein geeignetes Instrument dafür ansehen. Geheimdienstkontrolle erfordert ein hohes Maß an Professionalität und ständige, ja tägliche Kontrollarbeit. Die Geheimdienste müssen wissen, dass ihre sicherlich nicht einfache Arbeit ständig von einer speziell dafür vorgesehenen Einrichtung des Parlamentes begleitet und kontrolliert wird. Diese kontinuierliche Kontrollarbeit können aber Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die in viele andere Aufgaben eingebunden sind, nie und nimmer leisten.

Die Geheimdienstkontrolle wird daher, wenn sie ausschließlich parlamentarisch vorgenommen wird, weiter Not leiden - und dem Ansehen des Parlaments, aber auch dem Ansehen der Geheimdienste Schaden zufügen.

Der vorgelegte Gesetzentwurf der Union ist daher im Ansatz richtig. Der Bundestag sollte sich bald für die Schaffung eines mit den notwendigen Vollmachten ausgestatteten Geheimdienstbeauftragten an der Seite des parlamentarischen Kontrollgremiums entscheiden. Schließlich waren es ja die bitteren Erfahrungen von uns Sozialdemokraten bei der Kontrolle der Geheimdienste, die uns schon vor zwölf Jahren dazu veranlasst haben, endlich eine institutionell verbesserte Geheimdienstkontrolle zu fordern. Nachdem sich mittlerweile die Union diesen Vorstellungen erheblich angenähert hat, sollte dieses Projekt jetzt nicht ausgerechnet an uns Sozialdemokraten scheitern. Vor wenigen Jahren ist es endlich gelungen, nach vielen Fehlversuchen in der Vergangenheit eine gesetzliche Grundlage über Untersuchungsausschüsse zu schaffen. Nun wäre es an der Zeit, eine wirksame Geheimdienstkontrolle auf die Beine zu stellen.

Hermann Bachmaier, 68, war 22 Jahre lang SPD-Bundestagsabgeordneter. Bis 2005 gehörte er dem Parlamentarischen Kontrollgremium an, das die Arbeit der Geheimdienste überwachen soll.

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