BND im Irak-Krieg:Beteiligung Deutschlands "ohne Einschränkungen klar"

Die New York Times bleibt dabei, dass ihr Bericht über die Weitergabe irakischer Verteidigungspläne von deutschen BND-Agenten an US-Geheimdienste stimmt. Nach der Bundesregierung und dem BND hat dies allerdings nun auch das Pentagon dementiert.

Nachdem sowohl Berlin als auch das US-Militär dem Bericht der US-Zeitung widersprochen hatten, sah sich Bill Keller von der Chefredaktion des Blattes offenbar genötigt, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Der Bericht fuße auf einer geheimen Generalstabsstudie von 2005 über die Entwicklung der Militärstrategie im Irak, berichtete Keller. Die Involvierung Deutschlands sei in "der Generalstabsstudie offenkundig und ohne Einschränkungen klar". Die Zeitung zitierte ausführlich aus dem Papier.

Keine Belege für Stichhaltigkeit des Berichts

Das US-Verteidigungsministerium hat der New York Times widersprochen.

Es gebe zwar ein Geheimpapier für den Vereinigten US-Generalstab zum Irakkrieg über irakische Verteidigungspläne. Darin seien jedoch keine Angaben enthalten zur Rolle deutscher Geheimdienste.

Man habe derzeit keine Belege für die Stichhaltigkeit des Berichts der Zeitung über die Weitergabe irakischer Verteidigungspläne von deutschen BND-Agenten an US-Geheimdienste, hieß es.

"Wir wissen nicht, über was er (der Autor des Zeitungsbeitrags) spricht", sagte Militärsprecher Leutnant Jim Krohne in Norfolk (Virginia). Die in der Zeitung zitierte Studie sei als geheim eingestuft.

Krohne ist Sprecher des US-Militärkommandos, von dem die Studie stammen soll. Die Angaben über die Zusammenarbeit deutscher und amerikanischer Geheimdienste vor dem Irakkrieg, so Krohne, würden derzeit von seiner Abteilung geprüft.

Der New York Times zufolge haben sich zwei BND-Mitarbeiter das Material nach einem Treffen von Saddam Hussein mit seinen Befehlshabern beschafft. Die Skizze habe dem US-Militär bei der Einschätzung geholfen, wann und wo der damalige Diktator besonders loyale Soldaten in Stellung bringen wolle, hieß es in dem Bericht.

Dementi aus Berlin

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hatte diese Behauptungen nach Rücksprache mit BND-Chef Ernst Uhrlau als falsch bezeichnet.

Die Bundesregierung hatte Ende vergangener Woche zwar eingeräumt, dass der BND während des Irak-Krieges auch militärische Informationen an US-Dienste weiterleitete.

Allerdings seien die von den zwei BND-Mitarbeitern in Bagdad gemeldeten Objekte nicht Ziele von US-Luftangriffen gewesen. Die Meldungen seien vielmehr zur Gewinnung eines eigenen Lagebildes verwandt worden.

Alle Berichte des BND-Sondereinsatzteams, also der beiden in Bagdad verbliebenen Agenten in deren Einsatzzeit vom 15. Februar 2003 bis 2. Mai 2003, waren nach den Worten von Wilhelm Gegenstand der Unterrichtung im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestages.

"Gegenstand konnte somit nicht der von der New York Times behauptete Sachverhalt sein, weil er dem Bundesnachrichtendienst nicht bekannt ist," erklärte Wilhelm. Ähnlich äußerte sich der Bundesnachrichtendienst.

Skeptische Opposition

Die Opposition in Deutschland besteht trotz des Dementis der Bundesregierung darauf, die neuen Vorwürfe restlos aufzuklären.

Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele sagte, es liege nahe, dass es sich bei der Veröffentlichung in der New York Times um "gezielte Indiskretionen aus Militär- und Geheimdienstkreisen" handele.

Dennoch habe sich in der Vergangenheit häufig gezeigt, dass auch solche Indiskretionen einen wahren Kern haben könnten.

Ströbele, der Mitglied im Parlamentarischen Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste (PKG) ist, forderte von der Bundesregierung in der Welt Aufklärung über die Zahl der BND-Agenten in Bagdad.

"Es stellt sich die Frage, zu welcher Zeit wie viel und welche Mitarbeiter in Bagdad tätig waren."

Wie Ströbele mahnte auch der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Werner Hoyer, zur Vorsicht: "Wir sind in einer Phase der Aufklärung, in der es auch zu Desinformationen und der Begleichung offener Rechnungen durch Geheimdienste kommt."

Autor des Artikels in der New York Times und eines ähnlichen Textes in der International Herald Tribune ist der Militärkorrespondent Michael R. Gordon. Er hatte in der Anfangsphase des Irak-Krieges als einziger Journalist das Kommando der US-Bodentruppen eng begleitet.

Der Publizist und Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eeenboom vertritt in der Tageszeitung die Auffassung, dass der New-York-Times-Bericht "sehr glaubwürdig" sei.

Sollten sich die Informationen bestätigen, dann sei mit ernsten Konsequenzen zu rechnen. Der Bericht mache deutlich, dass der bisher dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) vorgelegten Geheimbericht des Kanzleramts in der Absicht verfasst gewesen sei, "die Parlamentarier durch eine Vielzahl von Details zu täuschen", erklärte Schmidt-Eenboom.

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