Süddeutsche Zeitung

BND:Die Glaubwürdigkeit des Werner Mauss

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Hat der Geheimagent Steuern hinterzogen? Zu seiner Verteidigung führt Mauss ausgerechnet einen angeblichen Auftrag des "Spiegels" an. Der ehemalige Chefredakteur widerspricht sofort.

Von Ralf Wiegand, Bochum

Werner Mauss muss das Bochumer Landgericht nach Ansicht seiner Verteidiger als freier Mann verlassen. Zwei der drei Anwälte des ehemaligen Undercover-Agenten begründeten am Donnerstag ausführlich, warum ihr Mandant wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung ihrer Meinung nach nicht verurteilt werden kann - und wenn doch, dann keinesfalls mit der von der Staatsanwaltschaft geforderten Wucht. Die Anklage hat sechs Jahre und drei Monate Haft für den 77-jährigem Mauss gefordert, eine für eine solche gewöhnliche Steuerhinterziehung - auch in schwerem Fall - hohe Strafe.

Aber was ist schon gewöhnlich am Fall Werner Mauss? Der Geheimagent, der für Behörden des Bundes arbeitete und dafür von offiziellen Stellen mit zahlreichen Scheinidentitäten ausgestattet wurde, von denen manche noch heute Gültigkeit haben, ist schwer wie ein handelsüblicher Wirtschaftsverbrecher zu behandeln. Seine Geschichte führe in die Welt der Geheimdienste, über die man so wenig wisse, sagte Mauss' Verteidiger Rainer Hamm, "dass wir uns nur aus Fantasieromanen und Filmen ein Bild davon machen können, in denen Übertreibung oder Komik vorherrschen". oder James-Bond-Gebaren. So schwierig sei es, in diesem geheimen Kosmos nach der Wahrheit zu forschen, dass das im Fall Mauss auch nicht gelungen sei: Weder die Schuld noch die Unschuld des Angeklagten sei bewiesen, schon deshalb müsse er - "im Zweifel für den Angeklagten" - frei gesprochen werden.

Die Verteidigung bestreitet vehement, dass Mauss die Kapitalerträge, die er über mehrere Jahre nicht versteuert hat, für einen luxuriösen Lebensstil ausgegeben habe, wie die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft. Sein Anwesen sei lange vor dem Tatzeitraum ausgebaut worden, vom versteuerten Einkommen, ebenso wie die von der Staatsanwaltschaft als Beleg angeführten Sportwagen, zwei Ferraris, die "in der Garage vor sich hin stauben" würden.

Der Agent war als Geiselbefreier in Kolumbien und Libyen unterwegs

Die Verteidiger behaupten ohnehin, dass das Vermögen, aus dem die nicht versteuerten Erträge stammen, gar nicht ihrem Mandanten gehört. Vielmehr soll es einem Pool aus Geldgebern gehören, die damit sicherstellen wollten, dass Mauss seine weltweiten Operationen zur Terrorabwehr, Verbrechensbekämpfung und für Friedensverhandlungen bezahlen konnte.

Aber selbst wenn man davon ausgehen würde, sagte Anwalt Thomas Fischer, dass es diesen so genannten Geheimfonds gar nicht gegeben hat - die Staatsanwaltschaft hatte Zweifel an einer solchen Vereinbarung durchblicken lassen - selbst dann könne man das viele Geld nicht als Mauss' Privatbesitz betrachten: "Dann ist es Betriebsvermögen."

Es sei unbestritten und in der Hauptverhandlung erwiesen, dass der Agent, der etwa als Geiselbefreier in Kolumbien und Libyen unterwegs war, Juwelen-Räuber stellte und RAF-Terroristen aufspürte, seine Ausgaben aus diesem Vermögen bestritten habe. "Der Agentenbetrieb Mauss", sagte Rechtsanwalt Fischer, müsse also dann wenigstens ordentlich geprüft werden, bevor eine Steuerschuld errechnet werden könne, weswegen hilfsweise der Antrag auf Wiederaufnahme der Beweisführung eingereicht wurde. Die rund 14 Millionen Euro hinterzogener Steuern, die die Staasanwaltschaft für ihr Strafmaß zugrunde gelegt hat, seien jedenfalls viel zu viel.

Mauss habe das ganze Geld, das er stets in bar von seinen gerichtsrelevanten Konten abgehoben hat, ausschließlich für seine Einsätze und zur Finanzierung seines "weltweiten Netzwerks" genutzt. Als Beispiel für die Glaubwürdigkeit von Mauss führte Anwalt Hamm ausgerechnet ein eher umstrittenes Beispiel an: So sei Mauss im Jahr 2000 vom Herausgeber und der Chefredaktion des Nachrichtenmagazin Spiegel damit beauftragt worden, einen auf den Philippinen entführten Journalisten des Hauses zu befreien, was auch gelungen sei: "Im ausdrücklichen Auftrag, aber ohne Bezahlung durch den Spiegel". Mauss hatte die Kosten für diese Mission in einer unvollständigen Auflistung seiner Betriebsausgaben mit 1,6 Millionen Euro beziffert, das Geld sei aus dem Geheimfonds (und damit angeblich von ausländischen Diensten) gekommen.

Hamm holte zur Untermauerung seiner These das Buch des damaligen Spiegel-Chefredakteurs Stefan Aust aus seiner Aktentasche, "Mauss - ein deutscher Agent". Mauss ist gerichtlich massiv gegen Darstellungen in dem 1999 erschienenen Buch vorgegangen, das "wenig freundlich" sei, sagte Hamm. Und trotzdem habe die Chefredaktion Mauss "geradezu flehentlich" um Hilfe gebeten. Hamm fragte, wieso Mauss das Risiko eingehen sollte, so etwas zu erzählen, wenn man ihn gegebenenfalls doch leicht widerlegen könnte?

Das fragt sich auch Stefan Aust, den die SZ am Donnerstag in einer Verhandlungspause telefonisch erreichte. Der Fall, den Hamm anführte, beschrieb die Entführung des Spiegel-Korrespondenten Andreas Lorenz im Juli 2000. Aust bestreitet die Darstellung von Mauss entschieden: Nicht er habe den Agenten beauftragt, "Mauss selbst hat sich gemeldet und sich angeboten", nachdem Spiegel-Redakteur Lorenz entführt worden war. Er, Aust, habe das Angebot abgelehnt und habe den damaligen Ressortleiter Olaf Ihlau in die Krisenregion geschickt.

Aust: "Ich habe ihn auf Distanz gehalten."

Allerdings, sagte Aust, habe er den Kontakt zu Mauss gehalten für den Fall, dass die eigenen Bemühungen zur Freilassung scheiterten. Aust: "Ich habe ihn auf Distanz gehalten. Aber wenn unsere eigenen Bemühungen gescheitert wären, hätte ich auch einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, um Lorenz frei zu bekommen."

Lediglich einen "Test" habe Mauss auf Wunsch von Aust bestanden, indem er ein Lebenzeichen von Lorenz beschaffte. Aust sagt, er habe Mauss Fragen übermittelt, die nur Lorenz selbst entworfen haben konnte, und Mauss habe die richtigen Antworten beschafft, "wie, das weiß ich nicht". Aber er sei auf keinen Fall vom Spiegel in irgendeiner Weise beauftragt worden, den Redakteur zu befreien.

Ihlau habe in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank das Lösegeld beschafft, "Dollarnoten in kleinen Scheinen", sagte Aust der SZ. Falls Mauss an der Freilassung beteiligt gewesen sein sollte, so wisse er nicht, wie. "Ich habe nichts gegen Werner Mauss", sagte Aust, "aber als Alibi für ihn tauge ich nicht." Auch schließt er aus, dass der damalige Herausgeber Rudolf Augstein einen solchen Auftrag erteilt haben könnte.

Ist Mauss ein Wohltäter, ein Lügner, ein Straftäter, oder gar ein Opfer der Geheimdienste, die ihn, der jahrzehntelang für sie gearbeitet hat, nun eiskalt fallen lassen? Das Gericht wird sich nach dem Plädoyer des letzten Verteidigers ein Urteil bilden. Gesprochen werden soll es nun am 5. Oktober.

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