Süddeutsche Zeitung

BND-Chef Schindler:Dem Großen Bruder stets zu Diensten

Schneidig kommt er daher: BND-Präsident Schindler will, dass es bei der Arbeit "zündet und kracht". Kritiker finden, dass Schindler selbst zum Risiko für den Dienst geworden sei. Die umstrittene Weitergabe von Daten an US-Dienste, die zur Tötung von Terroristen führen könnte, bestätigt ihre Zweifel am Chef. Der steht im Verdacht, allzu eng mit der NSA zu kooperieren.

Von Stefan Buchen und Hans Leyendecker

Wenn einer neu im Amt ist, dann kann es schon mal passieren, dass er einen flotten Satz sagt, um zu zeigen: Ich bin der Mann, mit dem alles anders wird.

Als Gerhard Schindler Anfang 2012 Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) wurde, fiel er gleich mit zwei Sprüchen auf. "No risk, no fun" war der eine: ohne Risiko kein Spaß. Der andere: "Wir müssen die Ersten sein, die reingehen, und als Letzte wieder raus". Das wirkte schneidig. Wenn aber dann - nach anderthalb langen Jahren - der Präsident immer noch gern und dauernd sagt, "es muss krachen" oder "es muss zünden", dann geht es ihm nicht mehr um möglichst flockige Sprüche, sondern um ein Programm.

Genau das aber kann ein Problem sein, wenn man Chef eines mittelgroßen deutschen Nachrichtendienstes ist, und nicht etwa bei der CIA.

Hemdsärmelig, sehr robust im Umgang mit Mitarbeitern und manchmal sogar mit Gästen, so wird der 60-jährige Schindler von Mitarbeitern des Auslandsnachrichtendienstes beschrieben. Er hat unter den mehr als 6000 Beschäftigten treue Gefolgsleute vor allem unter den Nachrichtenbeschaffern gewonnen. Das sind zum Teil Agenten, die operativ im Einsatz sind und nicht mehr wie früher viele lästige Dienstvorschriften beachten müssen; auch Dienstreisen sind einfacher geworden.

Schindler ist kein Mann der feinen Worte

Aber es gibt inzwischen auch eine Menge Zweifler, die finden, dass der Präsident selbst zum Risiko für den Dienst geworden sei - oder zumindest zum Risiko werden könnte. Ihnen missfällt nicht nur das dauernde "Krachen" und "Zünden", sondern der ganze Casino-Ton an der Spitze, mit den vielen "Rauchzeichen", die der Dienst geben soll, und dem "Flankenschutz", der Partnern gewährt werden müsse. Der Präsident war mal Fallschirmjäger. Wer nicht spurt, dem werden "die Hammelbeine lang gezogen". Ein bisschen feiner hätte man es manchmal beim BND schon gern.

Gerhard Schindler ist eine erstaunliche Figur. Ein Freidemokrat, der zum Mann der Union wurde. Im Bundesinnenministerium hat er Karriere gemacht, bevor er Präsident wurde. Das Kanzleramt, das seinen Vorgänger, den Sozialdemokraten Ernst Uhrlau, schurigelte und durch kleinlichste Anordnungen im Amt behinderte, lässt Schindler gewähren.

Uhrlau war ein Freund der Oper und der Literatur und verkörperte geräuschlose Effizienz. Schindler ist kein Mann der feinen Worte. Ein historischer versierter Mitarbeiter im Dienst fühlt sich erinnert an den alten Reichspräsidenten Hindenburg und dessen berühmten Spruch: "Nun wollen wir mal sehen, wie mit Gottes Hilfe der Hase weiterläuft."

In der internationalen Geheimdienst-Community kursieren Geschichtchen und Geschichten über den deutschen Präsidenten. Dass Schindler einen arabischen Nachrichtendienstler mit der Einschätzung verblüfft habe, dieser dürfe ja kein Bier trinken und dabei angeblich gelacht habe, wird von Diplomaten mit Erstaunen erzählt. Eine andere Episode wird im BND gern kolportiert: Bei der Vorbereitung für die Präsidenten-Lage im Kanzleramt habe Schindler in einer großen internen Sitzung den Namen einer Stadt nicht richtig aussprechen können. Und dann sei die Stadt eben von der Landkarte genommen worden. Wenn die schöne Geschichte stimmen sollte, würde sie einiges über das Verhältnis des Chefs zur Wirklichkeit verraten.

Schindlers härteste Kritiker sind keine Pappnasen, sondern zum Teil hoch seriöse Nachrichtendienstler, die an den Sinn ihres Berufes glauben. Die nun bekannt gewordene Geschichte mit den Mobilfunknummern, die an die US-Dienste weitergegeben werden sollen, bestätigt sie in ihrem Grundzweifel am Chef. Generell haben sie ihn im Verdacht, allzu eng mit den Amerikanern zu kooperieren.

In den Unterlagen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden, die im Spiegel standen, tauchten Fitzel aus Schindlers Welt auf. Nichts wirklich Belastbares, aber manches Merkwürdige. Der Deutsche, schrieb die NSA, habe den "dringenden Wunsch", enger mit der NSA zu kooperieren. Die Deutschen suchten "Führung und Rat". Der BND arbeite daran, dass die Datenschutzgesetze laxer ausgelegt würden, damit der Austausch von Geheimdienstinformationen erleichtert werde.

Viel Risiko, kein Spaß, kein Ertrag

Solche Bemühungen einer Sicherheitsbehörde sind nicht ungewöhnlich, aber zu viel Nähe um fast jeden Preis ist ungesund. Die ersten Stürme in der NSA-Affäre hat Schindler gut überstanden. Dass der BND nicht massenhaft Informationen über deutsche Staatsbürger an die NSA weitergegeben hat, wie zunächst kolportiert wurde, ist wahrscheinlich. Alles andere wäre illegal gewesen. Dass der deutsche Dienst Späh- und Software aus den USA einsetzt, wäre nur dann anstößig, wenn Gesetze nicht beachtet werden. Aber der BND will mit diesem Präsidenten dem Großen Bruder gefallen. Das ist nicht ohne Risiko.

Zudem steht Schindler im Ruf, die deutsche Auswertung von Nachrichtendienst-Material schon mal zu vernachlässigen, wenn es der deutschen Politik gefällt. Vor einem Jahr fiel er durch die öffentliche Analyse auf, das Assad-Regime in Damaskus befinde sich in der "Endphase". Die "Erosion" des Militärs halte an. Im Kampf gegen Assad seien radikale Gruppierungen "in der Minderheit". Das wollte damals das politische Berlin so hören - und der Präsident sah es dann auch so. Inzwischen hat sich in Berlin die Sichtweise geändert, und es gibt auch neue Einschätzungen der Lage durch den Dienst. Gut nur, dass der BND-Mann in Beirut all die Zeit den Kontakt zum Regime hielt. Inzwischen sind die Kontakte wieder höherrangig.

BND-Mitarbeiter berichten, wenn sie Schindler charakterisieren wollen, auch gern von dem Plan, das Computernetzwerk einer Uni in Saudi-Arabien durch Trojaner zu knacken, um islamistische Radikalisierungstendenzen zu analysieren. Das Ergebnis waren Zigtausende Verwaltungsvorgänge ohne jegliche Bedeutung: "Hauptsache Operation, Hauptsache Trojaner", sagt ein BND-Mitarbeiter. Viel Risiko, kein Spaß, kein Ertrag.

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SZ vom 10.08.2013/kjan
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