Süddeutsche Zeitung

BND-Ausschuss: Kauder:"Bessere Kontrolle der Geheimdienste"

Nach drei Jahren und 6000 Protokollseiten: Siegfried Kauder, Vorsitzender des BND-Ausschusses, verteidigt die eher dürftigen Ergebnisse.

P. Blechschmidt

Der BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages beendet am Donnerstag offiziell seine Arbeit. Im Interview mit sueddeutsche.de und der Süddeutschen Zeitung zieht der Vorsitzende Siegfried Kauder (CDU) seine persönliche Bilanz.

SZ: Herr Kauder, wie wird man eigentlich Vorsitzender eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses?

Siegfried Kauder: Indem einen der 1. Parlamentarische Geschäftsführer spät abends anruft und erklärt, die Fraktion hätte es gern, dass man das Amt übernimmt. Da überlegt man dann nicht lange, da nimmt man das an.

SZ: 124 Sitzungen in drei Jahren, 489 Stunden lang 141 Zeugen vernommen, 6000 Seiten allein Wortprotokolle der Befragungen - war es die Mühe wert?

Kauder: Also, das Ergebnis erscheint vielleicht etwas mager. Da könnte man zu der Einschätzung kommen, der Aufwand war nicht gerechtfertigt. Trotzdem: Wir haben tiefe Einblicke bekommen in die Arbeit der Geheimdienste. Und eines hat der Ausschuss ganz bestimmt herausbekommen: Die Kontrolle der Dienste muss verbessert werden. Es war mühsam, zu diesem Ergebnis zu kommen, aber unter diesem Aspekt hat es sich schon gelohnt.

SZ: War es sinnvoll, den BND-Ausschuss mit so vielen Themen zu befrachten? Da ging es um so unterschiedliche Dinge wie den BND-Einsatz in Bagdad, um den Umgang mit Gefangenen der US-Geheimdienste und um die Bespitzelung von Journalisten. Einziger gemeinsamer Nenner war, dass immer der BND mit im Spiel war.

Kauder: Es war von der Aufgabenstellung her ein bunt gemischter Strauß, gar keine Frage. Ich habe auch lange überlegt, ob wir die Journalistenbespitzelung noch übernehmen sollen...

SZ: ... die ja erst im Laufe der Ausschussarbeit hinzukam...

Kauder: ... Aber jeder Untersuchungsausschuss erfordert ja auch einen Aufwand, ein Sekretariat mit Personal zum Beispiel, und so ergaben sich doch Synergie-Effekte. Wir haben die Arbeit gut strukturiert, indem wir die Themen nach den einzelnen Komplexen abgearbeitet haben. Ich würde es wieder so machen.

SZ: Ist ein Untersuchungsausschuss überhaupt ein geeignetes Mittel zur Wahrheitsfindung oder doch eher ein politisches Kampfinstrument?

Kauder: (lacht) Oh je, das ist eine Frage, die mich schon umgetrieben hat. Es ist ein politisches Gremium. Es geht auch um die Wahrheitsfindung, aber es geht auch darum, sich politisch zu positionieren. Da gab es immer wieder Fragen, bei denen ich ganz klar wusste, es ging nicht um die Antwort des Zeugen, sondern der Fragesteller wollte wenig später vor die Presse treten, um ein Statement abzugeben.

SZ: Heißt das, dass die Wahrheitsfindung zu kurz gekommen ist?

Kauder: Vor Gericht haben wir andere Möglichkeiten. Wir wollten im Ausschuss eine Gegenüberstellungs-Vernehmung machen, weil es widersprüchliche Zeugenaussagen gab. Bei Gericht hätte man so was bis zum Ende ausgefochten. Bei uns im Ausschuss war es politisch nicht mehr interessant, weil ein bisschen die Luft raus war. Da sieht man ganz klar: Es geht nicht nur darum, die Wahrheit herauszufinden, sondern auch darum, politische Strategien zu verfolgen.

SZ: In der Regel ist die Opposition im Untersuchungsausschuss der Angreifer, die Regierung in der Defensive. Das spricht doch eher für die Version Kampfinstrument.

Kauder: Ein Untersuchungsausschuss ist ein Kampfinstrument, gar keine Frage. In unserem Ausschuss war es ein bisschen weniger kämpferisch, weil es nicht um Geschäfte der laufenden Regierung ging, sondern um die der zurückliegenden. Da hätte ich mir etwas mehr Wahrheitsfindung schon gewünscht.

SZ: Das war ja speziell für die Union ein schwieriger Spagat. Damals war sie Opposition, jetzt Regierungspartner.

Kauder: Für mich als neutralen Vorsitzenden weniger, aber für die Ausschussmitglieder war es sicher eine schwierige Aufgabe. Da hat sich die Position im Laufe der Zeit ja auch ein bisschen geändert, als es auf den Wahlkampf zuging.

SZ: Dass die Union den damaligen Kanzleramtschef und heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier von der SPD konkret kritisiert, ist also dem Wahlkampf zu verdanken?

Kauder: Sicher. Auch.

SZ: Man sagt, der Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert der Opposition. Reichen die Rechte der Minderheit im Ausschuss aus?

Kauder: Für die kleinen Parteien ist es sicher misslich, dass sie aufgrund der Berliner Stunde...

SZ: ... das ist die Regelung, wonach die Fragezeit der einzelnen Parteien nach der Größe ihrer Fraktion im Bundestag bemessen ist...

Kauder: ...wenig Fragezeit eingeräumt bekommen. Wir haben es ja erlebt: In sieben Minuten gelang es manchen Abgeordneten, gerade mal eine Frage zu stellen.

SZ: Und wenn man einen Zeugen gerade am Angelhaken hat, dann kann man wegen der abgelaufenen Zeit nicht nachfassen.

Kauder: Ja. Da überlege ich, ob man nicht eine Regelung treffen kann, dass er dann im Vorgriff auf die nächste Berliner Stunde gleich noch mal sieben Minuten kriegt.

SZ: Könnte man in einer Situation, in der man wirklich das Gefühl hat, hier ist ein Zeuge mal unter Druck, nicht auch dem Vorsitzenden mehr Kompetenzen einräumen, das Verfahren zu steuern? Bislang sind Sie doch nur neutraler Worterteiler und müssen darauf achten, dass die Fragezeit nicht überschritten wird.

Kauder: Ich würde mir da in der Tat mehr Spielraum wünschen. Es könnte beispielsweise eine straffere Vernehmung der Zeugen bewirken, wenn der Vorsitzende etwa Fragen als unzulässig abweisen könnte und nicht die Mehrheit des Ausschusses entscheidet, ob eine Frage zugelassen wird.

SZ: Würden Sie dann auch verhindern können, dass ein- und dieselbe Frage fünf Mal gestellt wird? Oft hatte man das Gefühl, es wurden keine Fragen gestellt, sondern Statements für die Zuschauergalerie abgegeben.

Kauder: Jeder macht es so, wie er es kann. Es sitzen halt nicht nur Strafverteidiger im Ausschuss. Mancher stellt Fragen etwas barocker als der andere. Da wird man nicht eingreifen können.

SZ: Hatten Sie gelegentlich den Eindruck, dass Zeugen bewusst gelogen oder sich abgesprochen haben?

Kauder: Abgesprochen - das glaube ich eigentlich nicht. Aber einige Zeugen hatten sich erkennbar vorbereitet. Sie hatten die Akten aufgearbeitet, was Sie ja dürfen, aber dann muss man das offen legen. Spontane Äußerungen sind dann eher nicht möglich.

SZ: Heißt das, dass solche Aussagen dann doch geschönt waren?

Kauder: Das darf man nicht behaupten. Aber ein vorbereiteter Zeuge antwortet anders als einer, der spontan reagiert.

SZ: Erschwert wurde die Ausschussarbeit durch die ausgeprägte Geheimhaltung der Bundesregierung, durch weitgehend geschwärzte Akten und durch restriktive Aussagegenehmigungen.

Kauder: Das ist ein großes Problem des Ausschusses. Im Strafprozess bekommt man aufgearbeitete Akten. Im Untersuchungsausschuss kriegen Sie ein Konvolut von Unterlagen, die man mühsam auseinander pfriemeln muss. Da muss man sich Gedanken machen, ob etwa ein Ermittlungsbeauftragter, wie wir ihn ja in einem Bereich...

SZ: ... da ging es um die Gefangenenflüge des US-Geheimdienstes CIA ...

Kauder: ... hatten, einfach zur Aufarbeitung der Akten eingesetzt wird. Das ist für den einzelnen Abgeordneten unglaublich schwer, sich durch die Akten zu wühlen.

SZ: Trotzdem: War die Regierung zu restriktiv?

Kauder: Das kann ich schlecht beurteilen. Richtig ist, dass hin und wieder auf Druck des Ausschusses Akten herabgestuft und sogar freigegeben worden sind. Unstreitig ist auch, dass unter den geheim gehaltenen Dokumenten Urkunden waren, die allgemein zugänglich sind.

SZ: Pressemitteilungen.

Kauder: (lacht) Ja.

SZ: Viele Zeugenvernehmungen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Hätte man nicht mehr Zeugen unter Wahrung ihrer Schutzbedürftigkeit öffentlich vernehmen können - etwa per Video?

Kauder: Das kann man alles machen, aber das habe ich nicht zu entscheiden. Wenn Geheimhaltung Voraussetzung für die Vernehmung ist, muss ich dem als Vorsitzender stattgeben. Der Ausschuss an sich kann Druck machen mit entsprechenden Anträgen, das kann man vor Gericht auch durchfechten. Aber es ist schwierig. Dass die Mitarbeiter der Dienste ihre persönlichen Daten geschützt sehen wollen, das versteh ich schon. Und sicherer ist es natürlich, wenn man die ganze Vernehmung nicht öffentlich macht.

SZ: Aber in einigen Fällen hätte man doch mit der Öffentlichkeit großzügiger sein können?

Kauder: Es gibt ja ein paar Beispiele, wo wir nicht öffentlich Zeugen vernommen und ihre Aussagen dann später herabgestuft haben. Diese Vernehmungen wären natürlich auch hinter einem Spiegel oder verdeckt möglich gewesen.

SZ: Die Opposition klagt gegen die Geheimhaltungspraxis der Regierung vor dem Bundesverfassungsgericht. Ein Urteil kommt erst nach Abschluss der Ausschussarbeit. Ist das sinnvoll?

Kauder: Die Frage ist rhetorisch. Das ist natürlich nicht sinnvoll. Aber drängen Sie mal ein Verfassungsgericht. Die lassen sich nicht drängen. Vom Ergebnis her ist das unbefriedigend. Es kann nicht sein, dass sich eine Entscheidung letztlich überholt hat.

SZ: Bei den notwendigen Verbesserungen haben Sie die Kontrolle der Geheimdienste schon angesprochen. Die soll ja nun durch eine Neuregelung für das Parlamentarische Kontrollgremium verschärft werden.

Kauder: Da sind wir auf dem richtigen Weg, nicht zuletzt dank der Arbeit dieses Ausschusses. Und dann müssen wir darüber reden, ob die Dokumentationspflicht nicht verbessert werden muss.

SZ: Was heißt das?

Kauder: Dass man Dienstanweisungen auch schriftlich dokumentiert und dass man Besprechungen zumindest mit stichpunktartigen Aktennotizen begleitet. Das war immer das Problem bei den Vernehmungen. Es gab nichts Schriftliches. Man konnte den Zeugen nichts vorhalten.

SZ: Zum Beispiel über die berühmte Präsidentenrunde, zu der sich allwöchentlich die Geheimdienstchefs treffen.

Kauder: Das meine ich. Auch der Auftrag für die beiden BND-Agenten in Bagdad war ja nicht schriftlich formuliert.

SZ: Sehen Sie eine reelle Chance, das Gesetz über Untersuchungsausschüsse in der nächsten Legislaturperiode in Ihrem Sinne zu verändern?

Kauder: Ich sehe da eine gute Chance. Politischer Zündstoff ist ja eigentlich nur die Frage, ob man einen starken Vorsitzenden will. Wenn man den Vorsitzenden stärkt, muss man natürlich auch die Möglichkeit schaffen, ihn als befangen abzulehnen. Aber dann bitte nicht das Verfassungsgericht über den Befangenheitsantrag entscheiden lassen.

SZ: Würden Sie noch einmal einen Ausschussvorsitz übernehmen?

Kauder: Ja. Das ist eine spannende Aufgabe, eine anstrengende Aufgabe, aber, ich glaube, mir auf den Leib geschneidert.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.451808
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.6.2009/sueddeutsche.de/bica
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.