Geheimdienst:Bundesnachrichtendienst will sich umstrukturieren

Geheimdienst: Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes BND, war in Kiew, als sich die Ereignisse überschlugen.

Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes BND, war in Kiew, als sich die Ereignisse überschlugen.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Der vom Vormarsch der Taliban überrumpelte BND verordnet sich eine große Reform, damit Fehleinschätzungen wie bei Afghanistan nicht mehr passieren. Dabei ist der letzte Umbau nicht lange her.

Von Ronen Steinke, Berlin

Dem Bundesnachrichtendienst (BND) steht eine Strukturreform bevor. Erst vor wenigen Wochen hatte es an der Arbeit des Auslandsgeheimdienstes starke, auch öffentliche Kritik gegeben, unter anderem von Außenminister Heiko Maas (SPD). Aus Maas' Sicht hatten die deutschen Spione nicht rechtzeitig davor gewarnt, wie schnell die Taliban in Afghanistan an die Macht kommen würden. Nun hat BND-Präsident Bruno Kahl (CDU) nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des WDR intern deutlich gemacht, dass er große Veränderungen einleiten will.

Die Verantwortung für das weltweite Spionagegeschäft soll demnach auf weniger Chefs verteilt werden, um den BND übersichtlicher und dadurch besser steuerbar zu machen. Bisher hat der Dienst elf Abteilungen, die sich mit verschiedenen Weltregionen, aber auch mit Phänomenen wie Waffenhandel beschäftigen. Daraus sollen künftig fünf große übergeordnete Bereiche werden. Für die mehr als 6000 Agenten des Dienstes bedeutet das: Diejenigen unter ihnen, die im Ausland spionieren, berichten künftig alle an einen zentralen Chef für "Beschaffung". Diejenigen, die in Deutschland Analysen schreiben, berichten künftig alle an einen zentralen Chef für "Auswertung".

Das erklärte Ziel der Reform ist, dass einzelne Einheiten nicht mehr so abgeschlossen und isoliert arbeiten, sondern sich stärker untereinander austauschen. Die Sorge, dass einzelne BND-Abteilungen in "Doppelstrukturen" nebeneinanderher arbeiten oder gar ein Eigenleben entwickeln, ist in der Geschichte des Dienstes immer wieder Thema gewesen. Zuletzt hatte der BND nach den Enthüllungen des amerikanischen Whistleblowers Edward Snowden im Jahr 2013 seine Abläufe reformiert. Der damalige BND-Präsident Gerhard Schindler (FDP) hatte den Unternehmensberater Roland Berger ins Haus geholt, um die mächtige Abhörabteilung "Technische Aufklärung" neu zu organisieren. Sein Nachfolger Bruno Kahl arbeitet seit 2019 ebenfalls mit externen Beratern.

"Der Zeitpunkt ist eher ungewöhnlich"

Die jetzige Reform, die auch auf einer Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beruht, wird im Bundestag begrüßt. "Der BND zieht richtigerweise Konsequenzen aus Defiziten, die in den letzten Jahren zutage getreten sind", sagt der FDP-Geheimdienstkontrolleur Stephan Thomae. Die geplante "Straffung" der Strukturen sei gut. "Ich hoffe, dass auch bereits Konsequenzen aus den Fehleinschätzungen vor dem Abzug aus Afghanistan gezogen werden." Sein Kollegen Konstantin von Notz (Grüne), stellvertretender Vorsitzender des Geheimdienstgremiums, bemängelt lediglich: "Der Zeitpunkt ist eher ungewöhnlich." Der Grund: Der Gestaltungsauftrag der CDU-geführten Regierung läuft eigentlich gerade ab. Das Vorhaben sei aber "gut und richtig".

Die Diskussion um Afghanistan sei nicht der Auslöser und auch nicht der entscheidende Antreiber für die jetzige Reform, heißt es im BND. Der Linken-Abgeordnete André Hahn würde sich dennoch wünschen, dass aus dieser Debatte deutlichere Konsequenzen gezogen würden. In Afghanistan habe sich ein "Totalversagen" gezeigt, "der BND hatte die Dynamik schlicht nicht auf dem Schirm", sagt der Oppositionspolitiker. Das werde man allein mit einer Strukturreform nicht lösen können. "Vielmehr muss man die Frage stellen, wie wird man selbständiger gegenüber den US-Diensten. Auf deren Zulieferung von Infos kann man sich nicht mehr immer verlassen."

Der Hintergrund: Als die radikalislamische Taliban-Miliz im August auf die afghanische Hauptstadt Kabul zumarschierte, hatte der BND in einem vertraulichen Lagebericht für die Bundesregierung geschrieben: Die Taliban-Führung habe "derzeit kein Interesse" daran, kämpfend in die afghanische Hauptstadt einzuziehen. Das hat sich bewahrheitet. Tatsächlich sind die Taliban nicht kämpfend nach Kabul gekommen. Die Stadt hat sich ihnen aber ergeben. Dies hatte der BND nicht für sehr wahrscheinlich gehalten. Ähnlich hatten auch andere westliche Geheimdienste die Dynamik unterschätzt. Stattdessen war der BND davon ausgegangen, dass die Taliban auf Gegenwehr stoßen würden und eine "Übernahme Kabuls" durch die Taliban deshalb vor Mitte September "eher unwahrscheinlich" sei.

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