Süddeutsche Zeitung

BND-Affäre:Einmal Demokratie, bitte

Der Bundesnachrichtendienst führt erkennbar ein Eigenleben. Eine Demokratie kann sich keinen Geheimdienst leisten, bei dem Abschottung vor Kontrolle geht.

Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Zwei Tage, fünf Zeugen und das Bild des Bundesnachrichtendienstes als eine gut funktionierende deutsche Behörde ist bis ins Mark erschüttert. Was die Abgeordneten am Mittwoch und Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages zu Tage förderten, hätte Amtsleiter Gerhard Schindler vor Scham rot werden lassen müssen.

Ein Sachbearbeiter, der drei Wochen lang ohne konkreten Auftrag Suchbegriffe der Amerikaner aus den BND-Systemen löscht. Ein Abteilungsleiter, der nicht mal auf die Idee kommt, seine Mitarbeiter nach Missständen zu fragen. Zwei Unterabteilungsleiter, von denen der eine nichts hören und nichts sehen wollte und der andere offenbar alles tat, um die Spuren der problematischen Suchbegriffe zu verwischen, mit denen die Amerikaner deutsche Interessen verletzt haben. Sensible Dateien werden ausgedruckt, und verschwinden spurlos. Der Rechner, auf dem die Dateien erstellt wurden, wird "plattgemacht", wie es im Ausschuss hieß.

Ein Geheimdienst darf kein Eigenleben führen

Auf allen Ebenen des BND gilt offenbar Abschottung als oberstes Gebot. Was ich nicht unbedingt wissen muss, will ich auch nicht wissen. Es mag in allen Geheimdiensten der Welt ähnlich sein. Und doch: Auch ein Geheimdienst ist an Recht und Gesetz gebunden. Allemal in einer Demokratie muss er sich die Kontrolle des Parlamentes und damit der Bürger gefallen lassen. Er darf kein Eigenleben führen, in dem der Zweck alle Mittel heiligt.

Der BND, das hat diese Woche erbracht, führt in Teilen ein Eigenleben. Wo vom Sachbearbeiter bis Abteilungsleiter niemand gravierende Vorfälle meint nach oben melden zu müssen, da kann keine parlamentarische Kontrolle greifen.

Demokratie ist anstrengend - das muss jetzt auch der BND lernen

Der BND soll, er muss ein Geheimdienst bleiben. Ein Geheimdienst, der unter den Augen der Öffentlichkeit arbeitet, ist kein Geheimdienst und kann die Bürger des Landes genauso wenig vor Terrorangriffen schützen wie die städtische Straßenreinigung. Aber jedem der 6500 Mitarbeiter im BND sollte klar sein, dass auch der BND sich immer wieder demokratisch legitimieren lassen muss. Das geht nicht, wenn Kontrolle durch systematische Nichtinformation unmöglich gemacht wird.

Gut ist, dass auch BND-Chef Gerhard Schindler jetzt eine gesicherte gesetzliche Grundlage für seine Arbeit fordert. Die gibt es bisher in weiten Teilen nicht. Das bedeutet aber auch, dass die Arbeit für den BND womöglich schwieriger wird. Eine anlasslose Massenüberwachung von Ausländern im Ausland wird es vielleicht nicht mehr geben können. Demokratie ist anstrengend. Das muss jetzt auch der Bundesnachrichtendienst lernen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2490687
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/anri
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.