In Syrien geht die Regierung mit brutaler Gewalt gegen regimekritische Demonstranten vor: "Mindestens 100 Menschen und wohl noch mehr Personen" sollen von Sicherheitskräften in Deraa im Süden des Landes niedergemetzelt worden sein, verlautete aus der Opposition. Menschenrechtsaktivisten bestätigten diese Angaben sueddeutsche.de.
Die Leichen von mindestens 37 getöteten Regierungsgegnern seien am Mittwochnachmittag in das Krankenhaus der Stadt, die 100 Kilometer südlich von Damaskus liegt, gebracht worden, sagte ein Vertreter der Klinik der Nachrichtenagentur Reuters. Alle Todesopfer wiesen demnach Schusswunden auf.
In Deraa hatten am Mittwoch nach Angaben von Anwohnern syrische Sicherheitskräfte die seit Tagen umkämpfte Al-Omari-Moschee gestürmt. Zudem eröffneten sie nach Angaben von Augenzeugen das Feuer auf Hunderte Jugendliche, die mit einem Marsch gegen das harte Vorgehen protestierten. Bislang war von sechs Toten die Rede gewesen. Die Regierung hatte zu dem Vorfall bei der Moschee zunächst erklärt, die Sicherheitskräfte hätten auf Mitglieder einer "bewaffneten Bande" geschossen - und von zehn Toten gesprochen.
Mittlerweile äußerte sich der syrische Vizepräsident Faruk al-Scharaa staatlichen Medienberichten zufolge in Bezug auf die Unruhen, "die Entwicklungen in der arabischen Welt sollten nicht ein Katalysator sein, um Staaten aufzubauen und um die nationale Einheit zu untergraben". Damit räumte er offenbar ein, dass die Proteste im arabischen Raum sein Land erreicht haben.
20.000 auf der Straße
An diesem Donnerstag setzen sich die Proteste fort: Etwa 20.000 Menschen nahmen in Deraa an der Beisetzung der Opfer teil. Die Trauergemeinde zog von der Al-Omari-Moschee zum Friedhof. Dabei skandierte die Menge "Syrien, Freiheit!", wie ein Aktivist der Nachrichtenagentur AP berichtete. Die staatliche Presse spielt die Proteste herunter. Die Staatssicherheit versucht, syrische Journalisten einzuschüchtern. Menschenrechtler in Damaskus berichteten unterdessen von weiteren Verhaftungen. Der Journalist und politische Aktivist Mazen Darwisch sei am Mittwoch von den Sicherheitskräften einbestellt worden und ist seither verschwunden.
Der Prediger der Al-Omari-Moschee, Scheich Ahmed al-Sajasina, sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Menschen in der von den Sicherheitskräften umzingelten Stadt hätten Angst und hofften auf Hilfe von außen. Die Moschee steht seit Tagen im Zentrum der syrischen Protestbewegung gegen das autoritäre Regime. Einige Demonstranten schlugen dort bereits Zelte auf, um ihren Protest gegen die Unterdrückung von Bürgerrechten dauerhaft fortzusetzen.
Bislang beschränkten sich die Proteste hauptsächlich auf Deraa und das Umland, außerdem gab es kleinere Kundgebungen in der Hauptstadt Damaskus. Für (den morgigen) Freitag haben Aktivisten allerdings über Online-Netzwerke zu Massendemonstrationen im gesamten Land aufgerufen.
Regimegegner verglichen die Schüsse der Sicherheitskräfte auf Zivilisten mit dem Massaker von Hama 1982. Der Vater des heutigen Präsidenten Baschar al-Assad, der im Jahr 2000 verstorbene Präsident Hafis al-Assad, hatte damals mit brutaler Gewalt einen Aufstand der Muslimbrüder in der Stadt Hama niedergeschlagen. Tausende Einwohner der Stadt wurden getötet. Die genaue Zahl der Opfer wurde nie bekannt.
Syrer, die damals an den Protesten der Muslimbruderschaft beteiligt waren, sprechen von 30.000 Opfern. Aus Hubschraubern sollen damals Granaten auf die Demonstranten geworfen worden sein. Es war ein Massaker, das von der Weltöffentlichkeit kaum beachtet wurde. Auch damals waren kaum unabhängige Berichterstatter vor Ort.
Die Medienberaterin von Präsident Assad, Bussaina Schaban, kündigte derweil an, Syrien werde bald "wichtige Entscheidungen" erleben, um auf die "Wünsche des Volkes" zu antworten. "Das Volk wird an allen Entscheidungen beteiligt sein, die getroffen werden", sagte Schaban vor Journalisten. Assad selbst hat sich bisher in der Öffentlichkeit nicht zu den Protesten geäußert.
Die Behörden hatten am Mittwoch eine "bewaffnete Bande" für die Zusammenstöße in Deraa verantwortlich gemacht. Sie habe nachts einen Krankenwagen nahe der Moschee attackiert und dessen dreiköpfige Besatzung getötet. Daraufhin hätten die Sicherheitskräfte eingegriffen. Weiter erklärten die Behörden, die Bande habe in der Al-Omari-Moschee Waffen und Munition gelagert. Das Staatsfernsehen zeigte entsprechende Bilder, die in der Moschee aufgenommen worden sein sollen.